Rezension

Raffinierter Krimi

Ich habe ihn getötet - Keigo Higashino

Ich habe ihn getötet
von Keigo Higashino

Bewertet mit 4.5 Sternen

Am Tag der Hochzeit der erfolgreichen Lyrikerin Miwako Kanbayashi mit Hodaka Makoto stirbt der Bräutigam überraschend. Im Zusammenhang damit kommt es zu einem weiteren Todesfall, der als Selbstmord inszeniert sein könnte. Drei Verdächtige äußern sich in Ichform abwechselnd zu den Ereignissen und ihren gegenseitigen Beziehungen: Suruga, der Manager Makotos, der Bruder Takahiro der Braut und die Lektorin der Braut. Jeder von ihnen verfolgte handfeste eigene Interessen und hatte zu der geplanten Hochzeit eigenwillige Ansichten. Weitere Personen tauchen auf. Zu klären ist zunächst, wer Mittel, Motiv und zur Tatzeit Gelegenheit zur Tat an dem Drehbuchautor hatte. Auch wenn die drei Berichterstatter anscheinend den exakten Verlauf wiedergeben, muss man als Leser damit rechnen, dass sie gerissen taktieren, dass man selbst etwas übersieht oder dass am Ende keiner der Verdächtigen überführt werden kann. Höchst interessant sind dabei die Emotionen, die die Berichterstatter bei anderen Figuren wahrnehmen und was sie damit über sich selbst preisgeben. Offen werden zunächst keine Emotionen gezeigt, was in Zusammenhang mit einer geplanten Hochzeit zu einer eigenartig unterkühlten Atmosphäre führt. Miwako und ihr Bruder waren Waisen, die nach den Tod der Eltern getrennt wurden und sich erst als Erwachsene wiederfanden. Auch andere Figuren kennen sich von früher; Beschützerinstinkte, Konkurrenz um handfeste materielle Werte und Erpressung sind zu verzeichnen. Schließlich betritt wie mit einem Tusch der scharfsinnige Kommissar Kaga diese Bühne streng verborgener Emotionen. Er vermittelt mit beeindruckender Selbstgewissheit den Eindruck, dass er diesen Zeugen gewachsen ist und den Täter überführen wird. Kaga will vermutlich mit seinem Auftritt das schwächste Glied in der Kette verunsichern und so erreichen, dass durch bröckelnde Loyalität diese Person, selbst wenn sie unschuldig wäre, dennoch den Täter zu einem Geständnis veranlassen wird.

Das Ende ist ungewöhnlich - und tatsächlich hat Kaga ein Indiz parat, das ich auch bei höchster Aufmerksamkeit beim Lesen übersehen hatte. Wer sich - trotz des unpassenden Klappentexts - vorstellen kann, den Roman noch einmal von vorn zu beginnen und das entscheidende Indiz nun mit anderen Augen zu sehen, findet einen äußerst raffinierten Krimi, bei dem mich besonders die verborgenen Gefühle der Figuren fasziniert haben.