Rezension

"Salz im Blut"

Der Salzpfad -

Der Salzpfad
von Raynor Winn

Bewertet mit 4 Sternen

ein authentischer Reisebericht, der den Blick auf das Leben lenkt

Nachdem Raynor und ihr Mann Moth ihre Farm und damit ihr Einkommen verloren haben, beschließen sie, Englands bekanntesten Küstenweg, den South West Coast Path, zu wandern. Sie nehmen nur das Allernötigste mit und müssen mit 50 Pfund in der Woche auskommen.

Der etwas ausführlichere Klappentext, das wunderschön gestaltete Cover mit Möwen, einem Delphin und dem Küstenpfad mit den beiden Protagonisten sowie der (leider eingedruckte) Bestseller-Aufdruck zusammen mit dem Times-Zitat haben mich sehr neugierig auf dieses Buch gemacht.

Das Schicksal von Raynor und Moth, die nicht ganz unverschuldet ihr Zuhause verlieren, geht mir nahe. Denn ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass unglückliche Umstände sehr schnell dazu führen können, dass man obdachlos wird. Zudem leidet Moth unter einer unheilbaren Krankheit, die ihm das Arbeiten bereits auf der Farm sehr erschwert hat. Auf der anderen Seite habe ich von der Umsetzung einfach mehr erwartet.

Raynor Winn beschreibt den Weg, den sie mit Moth gegangen ist, in zweifacher Hinsicht. Natürlich steht die Wanderung auf dem Küstenpfad im Vordergrund, ihre Gefühle, ihre Erlebnisse, aber auch Erläuterungen zu Land und Natur fließen ein. Dabei bleibt sie für mein Empfinden relativ sachlich. Für mich wird die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie empfinden müssen, nicht spürbar. Sie schreibt von Hunger, Durst, Hitze, Kälte, erbarmungsloser Sonne, Sturm und Regen, jedoch in einer Art und Weise, die nichts in mir auslöst.  Das finde ich sehr schade, ist das doch genau die andere Seite des Weges, den die beiden gehen, nämlich, sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen soll. Das Ergebnis wird am Ende festgehalten, wie sie jedoch dazu gekommen sind, bleibt zumindest mir rätselhaft. Wann haben die Überlegungen eingesetzt, wurden sie diskutiert, hat Moth seine Entscheidung allein getroffen, alles Fragen, auf die ich keine Antworten habe.

Deutlich wird, dass Raynor und Moth erkennen, dass sie nicht viel zum Leben benötigen, dass das Leben auch mit wenigem lebenswert ist, weil es sehr viel Schönes gibt. Das gilt für die Natur, wenn z.B. Sonnenauf- oder –untergänge beschrieben werden, aber auch Begegnungen mit Menschen. Hier fällt auf, dass die meisten Menschen sich sofort zurückziehen, wenn sie vom Unglück anderer hören, denn vor allem Moth geht offensiv mit der Obdachlosigkeit um. Es gibt jedoch auch viele Begegnungen, die Mut machen. Und das Wichtigste: Raynor und Moth haben sich, bei ihm ist ihr Zuhause. Das ist ein großes Geschenk, das nicht hoch genug bewertet werden kann.

Auch wenn ich die Begeisterung nicht uneingeschränkt teilen kann, habe ich mich für vier Sterne entschieden.

Fazit: ein authentischer Reisebericht, der den Blick auf das Leben lenkt.