Rezension

Schöne, emotional tiefgründige Geschichte über die Entwicklung von (innerer) Kraft und Stärke

Ein unbesiegbarer Sommer - Wendi Stewart

Ein unbesiegbarer Sommer
von Wendi Stewart

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Ein unbesiegbarer Sommer" (Originaltitel "Meadowlark") von Wendi Stewart erschien als HC mit einem sehr ansprechenden Cover im Verlag Nagel & Kimche (Hanser-Literaturverlagsgruppe) 2016. Übersetzt wurde der Roman aus dem Englischen ins Deutsche von Matthias Fienbork. Er umfasst auf 329 Seiten (und einem Nachwort, Dank der Autorin) drei Kapitel, die sich jeweils den 3 Hauptprotagonisten 'widmen': Rebecca, Chuck und Lissie - drei Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen ein ähnliches Schicksal und ihre Kindheit - miteinander teilen.

Buchbeschreibung/Inhalt:

"Als das Familienauto durchs Eis eines gefrorenen Sees in Ontaria bricht, ist Rebecca noch ein Kind; nur sie und ihr Vater überleben. Der Vater wollte eine Farm aufbauen, nun sieht er keinen Sinn mehr darin. Er kapselt sich ab, auch wenn Rebecca ihn immer wieder in ihr Leben einzubinden versucht. Schließlich findet sie Ersatz in einer intensiven Freundschaft. Und mittlerw3eile ist sie an ihren Erfahrungen so gewachsen, dass sie mit entschiedener Konsequenz auch die Probleme ihrer Freunde löst. 
Ein eindringliches und starkes Debüt, das Trauer und Komik, Melancholie und unbändigen Lebenswillen perfekt verbindet."
(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

 Schon im Prolog wird deutlich, dass dieser in Kanada verorteter  Roman von Wendi Stewart, die damit ihr deutschsprachiges Début gibt, von emotionaler Tiefe geprägt wird: Rebecca sehnt sich schmerzlichst nach ihrer Mutter, was angesichts ihres Alters (6 Jahre) nur allzu verständlich ist.

Anders als ihr Vater, der sich nach dem Verlust von Frau und Sohn immer mehr von der Welt abschottet, sucht Rebecca, die überlebende Tochter, dennoch Halt in dieser Welt zu finden - und findet in Chuck einen Freund, dessen Vater zu Gewalt neigt und das Leben seines  Sohnes durch sein rüdes Verhalten und das Gefühl, dass dieser es ihm niemals recht machen kann, sehr schwer macht. Chuck ist von Rebeccas Ehrlichkeit, Mut und Stärke beeindruckt und beide unternehmen Ausflüge mit ihren Ponys, die sie kindgemäß in 'andere, freundlichere Welten' katapultieren. Sowohl Rebecca als ein sehr selbstbewusstes, starkes Mädchen - das dennoch sehr unter dem Verlust der Mutter und des kleinen Bruders leidet - als auch Chuck, ein sensibler, empfindsamer Junge, der alles tut, um einmal im Leben ein Lob von seinem Vater zu ernten, werden sehr gut beschrieben - die Charaktere gut ausgeleuchtet. Trotz aller Hoffnung entgeht dem Leser jedoch nicht eine gewisse Melancholie, die in so manchen Sätzen des Romans steckt.

Während Rebecca und Chuck für mich sehr lebendige, sympathische Hauptprotagonisten waren, tue ich mich mit der Person Lissie etwas schwerer: Sie stößt als dritte in den Freundschaftsbund und sie selbst sowie die Mutter sind für mich nicht richtig zu erfassen gewesen; während einige Nebenfiguren und Schauplätze sehr detailliert beschrieben wurden, werden hier zur Vergangenheit von Lissie nur vage Andeutungen gemacht, was ich etwas bedauert habe. Auch fand ich mehr Ernsthaftigkeit und eine gewisse, wenn auch dem Inhalt des Romans angemessene Melancholie vor als Humor - daher kann ich den letzten Satz des o.g. Buchrückentextes nicht gänzlich teilen.

Dennoch ist es der Autorin gut gelungen, die emotionale Situation eines Kindes zu beschreiben, das ein traumatisches Erlebnis hatte und dennoch unbändigen Lebenswillen, eine innere Kraft und Stärke wie auch eine soziale Ader und ein großes Herz besitzt. Die Freundschaft zu Chuck und Lissie ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil, aus der traumatischen Situation herauszuwachsen und gefiel mir sehr gut. Der Schreibstil ist klar und flüssig zu lesen; teils sehr detailliert - und zuweilen in vagen Andeutungen, die dem Leser eigene Deutungen erlauben. Das Romanende finde ich auch stimmig.

Fazit:

Die Stärke dieses Romans liegt m.E. im sprachlichen Ausdruck der Entwicklung von innerer Stärke und Kraft eines Menschen, ja eines Kindes und der Bildung eines "Freundschafts-Kollektivs", mit deren Hilfe Rebecca, Chuck und auch Lissie die Traumata ihrer Kindheit bewältigen konnten.