Rezension

Schöner Ausflug in das Jahr 1907

Dampfer ab Triest -

Dampfer ab Triest
von Günter Neuwirth

Bewertet mit 4 Sternen

Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise...

...nein, das denkt Inspector Bruno Zabini ganz bestimmt nicht, als er abkommandiert wird, Graf Urbanau an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Thalia“ zu beschützen...

Mit „Dampfer aus Triest“ hat Günter Neuwirth den Grundstein für eine neue Krimi-Reihe um Bruno Zabini gelegt – und schon mal vornweg: dies ist ihm ausgezeichnet gelungen!

Wir Leser reisen zuerst in das Jahr 1907 nach Triest, damals der bedeutendste Hafen der Monarchie Österreich-Ungarn (nein, das wusste ich vorher auch nicht!). Bruno ist eigentlich nur Polizist geworden, weil sein Vater es so gewollt hat, denn sein Herz gehört der Wissenschaft und Technik – aber nun hat er festgestellt, dass „moderne“ Polizeiarbeit viel auf diese Grundlagen zurückgreift und so hat er sich dem Fortschritt verschrieben, so z.B. ist der „Tatortkoffer“ für ihn kein lästiges Utensil, sondern unabkömmlich für gewissenhafte Recherchen am Tatort.

So bekommt er schnell heraus, dass der tödliche Autounfall des Chauffeurs von Graf Urbanau keineswegs ein „Unglück“ war, sondern ein ganz konkreter Mordanschlag („Das Bremsseil des Automobils wurde absichtsvoll mit einer Säge bearbeitet, so dass das Reißen des Seils nur eine Frage der Zeit war.“ S. 69).

Graf Urbanau plant, gemeinsam mit seiner Tochter Carolina eine 3 ½-wöchige Kreuzfahrt anzutreten. Die Sicherheitslage des hohen Gastes beunruhigt den Statthalter von Triest, zumal er auch hört, dass es bereits mehrere Morddrohungen gegeben habe. Deshalb verfügt er, dass ein „verlässlicher Mann inkognito“ den Grafen zu seinem Schutz zu begleiten habe – da fällt die Wahl auf Bruno, der darüber überhaupt nicht begeistert ist...

Und dann stechen wir gemeinsam mit Bruno, seinem Tatortkoffer, Graf Urbanau, Carolina und anderen netten (und weniger netten) Passagieren in See, die uns letztendlich bis Konstantinopel bringt. Auch der Mörder ist an Bord und wir erfahren in kurzen Einschüben etwas über seine Vorgeschichte, z.B. hat er das Töten in Peking beim Boxeraufstand als „Sinn seines Lebens“ (S.128) erkannt.

Günter Neuwirth zeichnet die einzelnen Charaktere der Passagiere und der Besatzung detailliert und facettenreich, so dass man ab und zu das das Gefühl hat, man nehme selbst am Plausch an der Reling teil. Er geht auf die damaligen Erwartungen an eine Kreuzfahrt ein (z.B. hat die Direktion des Österreichischen Lloyd Graf Urbanau mitgeteilt, „dass die Mitnahme von eigenen Möbelstücken aus Sicherheitsgründen nicht gestattet sei, ...“ S. 18)

Einige Male können wir Bruno bei seinen Ermittlungen über die Schulter schauen und sind beeindruckt von seinem fortschrittlichen Arbeitsansatz und ärgern uns mit ihm, dass Polizeistationen immer noch nicht mit einem Fotoapparat ausgestattet sind. Auch privat steht Bruno modernen Errungenschaften positiv gegenüber. z.B. bei Zahnpasta: „Es gab zwar noch zahlreiche Menschen, die lieber Zahnpulver oder Zahnseife zum Zähneputzen verwendeten, aber gerade für die Reise fand Bruno die Verpackung in der Tube ungemein vorteilhaft.“ (S.239)

Der Autor hat sich durchgängig bemüht, in seinen Schreibstil auch etwas die damalige Zeit einfließen zu lassen, mir hat es gut gefallen, gibt es doch der Geschichte ein kleines „Sahnehäubchen“ obenauf...

Auch habe ich fast „nebenbei“ wieder einige neue historische Erkenntnisse gewonnen, z.B. kannte ich bisher die österreichische Geschichte nicht wirklich, Triest als bedeutender Seehafen war mir unbekannt und vom Boxeraufstand wusste ich auch nicht viel...

Mir hat „Dampfer aus Triest“ gut gefallen, ich finde, dass es ein gelungener Auftakt für eine Reihe ist, die ich sicherlich gern weiterverfolgen werde – deshalb kann ich das Buch vollkommen unbesorgt weiterempfehlen.