Rezension

Schräger Roadstory-Regionalkrimi-Mix

Taxi zum Nordkap - Klaus Heimann

Taxi zum Nordkap
von Klaus Heimann

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Blick nach hinten nahm mir den Atem. Im Koffer lagen, wie die Sardinen in der Büchse, lauter Geldscheine, sauber mit Banderolen zu kleinen Päckchen gebündelt. Wie viel Zaster mochte das sein? »Sind die echt?«, zweifelte ich an dem, was ich nicht glauben wollte. »Sicher sind die echt. Und nun fahren Sie bitte los.« »Wie viel ist das?« Ich ließ nicht locker. »Fünf Millionen Euro. Reicht das?«, blaffte der Kerl zurück. »Haben Sie eine Bank ausgeraubt?«, wurde ich ängstlich. »Ich versichere Ihnen, da steckt nichts Kriminelles dahinter.« »Na gut.« Ich gab mich dem Mann und dem Anblick des Geldes geschlagen und meldete meine Fahrt bei der Zentrale an: »Wagen einhundertfünf. Habe einen Fahrgast zum Nordkap aufgenommen. Werde ein paar Tage unterwegs sein.«

Taxifahrer Rainer, 57 Jahre alt, ist ein typisches Kind des Ruhrgebiets. Tag für Tag steht er mit seinem Taxi vor dem Hotel Handelshof in Essen und wartet auf Fahrgäste. So einiges hat er dabei schon erlebt, einen Fahrgast wie den, der an diesem Tag einsteigt, allerdings noch nicht. Einen Koffer voller Geld hat er dabei und sein Reiseziel ist das Nordkap. Für Rainer, der, von chronischem Fernweh geplagt, die Strecke zum Nordkap schon oft in Gedanken und mit dem Reiseführer vor der Nase absolviert hat und dem noch dazu für die Tour eine fette Prämie winkt, ist die Entscheidung, ob er die Tour annimmt, leicht. Allerdings wünscht er sich schon bald, er hätte es nicht getan...

 

Das war mal wieder ein Buch, das richtig Spaß gemacht hat! Eine Mischung aus Roadstory und Regionalkrimi, voll von skandinavischen Reiseimpressionen einerseits und Ruhrgebiets-Kolorit andererseits. Die Geschichte erscheint mehr als schräg und bis kurz vor Schluss war mir rätselhaft, wie sich alles bloß auflösen sollte. Tja, und die Auflösung hat mich noch mal total überrascht. Klasse!

 

Die Geschichte liest sich sehr flott, ein Nicht-Ruhri muss vielleicht mal den ein oder anderen Begriff googeln, das Gesamtverständnis leidet aber auch nicht, wenn man dies unterlässt. Der gute Rainer würde dem Leser vermutlich den Tipp geben, sich einfach entspannt zurückzulehnen und den Text zu genießen ;-)

 

Genießen kann man übrigens auch die Land- und Streckenbeschreibungen. Es wird zwar klar ausgedrückt, dass man dort oben einer von vielen, vielen Touristen wäre, Fernweh hab ich trotzdem bekommen.

»Am anderen Ende von Fünen erreichten wir die Brücke über den Großen Belt. Es ist ein imposantes Bauwerk, das an dieser Stelle die Verbindung zwischen Fünen und Seeland, dem nächsten Eiland, das die dänische Hauptstadt Kopenhagen trägt, hält. Zunächst fährt man über kleinere Inseln hinweg flach am Boden entlang, aber schon von Ferne sieht man die beiden gewaltigen Pylone aufragen, an denen die Brücke aufgehängt ist. Zwischen ihnen erreicht die Fahrbahn eine Höhe, dass die größten hier verkehrenden Schiffe darunter passieren können….

Als wir den flachen Auftakt der Belt-Querung hinter uns gelassen hatten und die Steigung erreichten, die zum Zenit der Fahrbahn hinaufführt, entstand für mich der Eindruck, in ein Himmelstor hineinzufahren, das durch die Brückenpfeiler gebildet wurde. Einzig die Tragseilkonstruktion und die kräftigen Leitplanken kanalisierten den Blick, erinnerten daran, dass man immer noch erdverbunden war. Dann flachte die Steigung ab und es ging wieder abwärts. Ich schaute von oben auf den Großen Belt hinab, auf dem die Schiffe neben dem gewaltigen Bauwerk und vor der Weite aus Meer und Landschaft wie Spielzeuge erschienen.«

 

Fazit: Schräger Roadstory-Regionalkrimi-Mix, der gleichermaßen für Fernweh wie für Unterhaltung sorgt.

 

»Ich erwischte mich dabei, dass ich im Kreis dachte, im ersten der vielen Kreise, die folgen sollten. Auf dieser Startetappe unserer gemeinsamen Reise waren die Gedanken unter meiner Schädeldecke noch nüchtern und abgeklärt.«

Das wird sich ändern.