Rezension

Sehr berührend

Apfeldiebe - Michael Tietz

Apfeldiebe
von Michael Tietz

Bewertet mit 5 Sternen

Als ich dieses Buch zur Hand nahm, habe ich nicht geahnt, dass es mich so berühren würde. Der Klappentext klingt sehr vielversprechend und spannend. 5 Jungen haben Ferien und wollen ein Abenteuer erleben. Sie erkunden eine Ruine und dann geschieht das Unfassbare, sie werden verschüttet. Niemand weiß, wo sie sind, nur ein alter Mann ahnt es, aber er sagt nichts, handelt es sich bei den Jungs doch um die Apfeldiebe, die ständig seine Obstwiese plündern.

Es ging erstmal ganz gemütlich los, ich konnte in Ruhe alle Protagonisten kennenlernen, die sehr detailliert beschrieben wurden. Auf der einen Seite die Jungs, die unterschiedlicher nicht sein können und auf der anderen Seite der alte Seiler, ein eigenbrötlerischer Einsiedler, der mir aber gerade wegen seiner kauzigen Art sympathisch ist.
Der Schreibstil ist sehr eigenwillig und ich musste mich erstmal daran gewöhnen, an die langen Schachtelsätze und an die kurzen Einwortsätze. Aber das dauerte nicht lange, denn Michael Tietz schreibt sehr mitreißend und spannend. Die fast schon poetischen Landschaftsbeschreibungen - man merkt, dass Michael Tietz hier jeden Stein kennt - stehen im krassen Gegensatz zu den Beschreibungen der Taten und Gedanken der Kinder, das finde ich sehr faszinierend und ist für mich eins der Sahnehäubchen in diesem Buch. Ein weiteres Sahnehäubchen sind die Überschriften zu den einzelnen Kapiteln, die mit sehr viel Feingefühl ausgewählt wurden.
Die Geschichte steigert sich immer mehr, es wurden einige Cliffhänger eingebaut und nur der dem alten Seiler gewidmete Strang brachte - für mich - wieder etwas Ruhe.
Das Buch hat mich sehr aufgewühlt. Normalerweise lese ich über die Abgründe von erwachsenen Menschen, aber was hier in den Kindern schlummert ist teilweise sehr beängstigend. Durch die sehr bildhafte Schreibweise war ich so nah dran ... manchmal sogar zu nah. Ich konnte den Staub schmecken, die Ausdünstungen riechen und habe das Hunger- und Durstgefühl mit den Jungs geteilt. Und ihre Ängste, ihre Befürchtungen. Sehr gut gefallen hat mir auch der Stellenwert, den die Religion in diesem Buch bekommen hat.
Die Geschichte ist geprägt von Gegensätzen - auf der einen Seite die Kinder mit ihren Ängsten vor dem Tod und auf der anderen Seite der alte Seiler mit seiner Todessehnsucht.
Kritikpunkte ... habe ich keine. Ich finde das Buch perfekt, angefangen von dem sorgsam ausgesuchten Cover, das sehr gut zu dem Buch passt bis hin zu dem Ende, das mich versöhnt hat und mich mit Tränen in den Augen lächeln lässt. Bravo Michael Tietz!