Rezension

Sehr gut erzählt

Requiem für den Kanzler - Uwe Ittensohn

Requiem für den Kanzler
von Uwe Ittensohn

Bewertet mit 5 Sternen

„...Und das Rezept von solchen Kooperationen ist immer das Gleiche. Wir machen die Arbeit, und die anderen scheißern klug. Geht es gut, streicht das BKA den Erfolg für sich ein. Geht es schief, müssen wir den Kopf hinhalten...“

 

Andrè hat sich als Stadtführer in Speyer selbstständig gemacht. Ein Zimmer seiner Wohnung hat er an die russische Auslandsstudentin Irena vermittelt. Zwischen beiden hat sich nach und nach eine Art Vater – Tochter – Beziehung entwickelt. Das gute Verhältnis zwischen beiden kommt in ihren Dialogen zum Ausdruck. Es ist ein Geben und Nehmen. Dabei kann Irena durchaus ironisch werden:

 

„...Selbst ist die Frau. Das im Küchenschrank mit Fensterchen ist kein Aquarium. Man nennt es Backofen...“

 

Heute wartet Irena allerdings mit einer Überraschung auf. Onkel und Tante haben sich angekündigt, um zu überprüfen, ob sie gut unterbracht ist. Sie gehen davon aus, dass sie ebenfalls bei Andrè unterkommen.

Doch das ist nicht Andrès einziges Problem. Der Tod des Altbundeskanzlers Helmut Kohl stellt in Speyer für die Polizei eine besondere Herausforderung dar. Nach einem Requiem im Dom erfolgt die Beisetzung. Kriminalhauptkommissar Frank Achill soll die Polizeikräfte koordinieren. Das Eingangszitat stammt von ihm. Er ist mit Andrè befreundet und bittet ihn um Hilfe, weil Andrè dafür bekannt ist, dass er einen besonderen Blick für Details hat.

Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Als Leser weiß ich eher als die Protagonisten, dass bei der Veranstaltung zwei Anschläge geplant sind. Kohl hat sich bei unterschiedlichen Gruppen Feinde gemacht.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das liegt auch daran, dass er nicht trocken daherkommt, sondern vor allem die Gespräche einen feinen Humor beinhalten. Als Beispiel möge die Aussage von Irenas Tante gegenüber Andrè stehen:

 

„...Was für eine schäne Kieche! Aber warum hast du Spielmaschine, kann das nicht Irena machen?...“

 

Andrè hat so seine Probleme mit der russischen Mentalität. Natürlich wird hier auch gekonnt das eine oder andere Klischee bemüht.

Ganz anders sind die Gespräche von Frank und Andrè. Es ist in jeder Aussage spürbar, wie sehr Franks Nervosität zunimmt, je näher das Ereignis rückt.

Der Autor lässt sich an den Gedanken und Taten der Attentäter teilnehmen. Sehr genau kann ich ihre Vorgehensweise verfolgen.

Gleichzeitig lerne ich Speyer kennen, einmal bei einer Stadtführung mit Andrè, zum anderen bei den konkreten Besichtigungsterminen der Polizei. Gekonnt werden hier verschiedene Mundarten eingebunden, unter anderen der rheinische und der sächsische Dialekt. Natürlich haben die Protagonisten ab und an Hunger. Das erlaubt mir einen Einblick in die lokale Küche.

Die Geschichte zeichnet sich durch eine hohen Spannungsbogen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist eindeutig, dass ich als Leser die Planungen der Terroristen kenne und nun gefesselt darauf warte, ob die Einsatzkräfte rechtzeitig reagieren. Auch die kurzen Kapitel mit schnell wechselnden Handlungsorten, die außerdem mit Datum und Uhrzeit beschriftet sind, fördern die rasante Handlung.

Nebenbei bemerkt hat der Autor noch eine handfeste Überraschung in der Geschichte verpackt.

Auch fachlich habe ich einiges dazugelernt. Das ist einer jungen Polizistin geschuldet, die sich bei den Feinheiten in der Digitalisierung hervorragend auskennt.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Am Ende wird deutlich, wie Recht Frank mit seiner Aussage hatte und wie gekonnt man Meinungen manipulieren kann.