Rezension

Sherlock Holmes auf hoher See

Der Tod und das dunkle Meer -

Der Tod und das dunkle Meer
von Stuart Turton

Sherlock Holmes auf hoher See? Fast - Sherlock (oder Sammy wie das Superhirn in diesem Buch heißt) wird erst mal auf dem Schiff angekommen in eine winzige Zelle geworfen - und Leutnant Arent Hayes, eigentlich der Mann fürs Grobe und für wilde Verfolgungsjagden von Verbrechern - steht nun allein vor dem vertrackten Fall. Wenn er den Mord des Aussätzigen nämlich nicht binnen der Fahrt von Indien aufklärt und nicht herausfinden, wessen Sammy eigentlich beschuldigt wird, droht bei der Ankunft in Amsterdam die Hinrichtung seines besten Freundes. Gemeinsam mit der Edeldame Sara begibt er sich auf Spurensuche.

Atmosphäre! Die Atmosphäre eines sturmumtosten Schiffes mit raubeiniger Mannschaft und geisterhaften Vorkommnissen hat Stuart Turton unglaublich gut zwischen die Buchstaben gepackt. Wenn der O-Beinige Bootsmann Johannes Wyck auf knarrenden Holzbalken auf dich zumarschiert kommt, dann trittst du einen mentalen Schritt zurück. So ging es mir nur all zu oft. Ich tauchte in dieses raue Wasser schon auf den ersten Seiten ein. Ja, die Handlung spielt sich zu 99 Prozent auf der Saardam ab - ich bin normalerweise nicht der große Fan von Handlungen auf hoher See - aber „Der Tod und das dunkle Meer“ zählt zu den Ausnahmen. Und das lag am unnachahmlichen Stil von Turton - ich hatte beständig das Gefühl, ich sei dabei. Dabei in der großen Kabine beim Dinner, bei Arents Nachforschungen. Bei salz- und urinhaltigen Wäsche von Kleidungsstücken. Bei den Besuchen der Geister. Meine Kabine grenzte gleich an der von Sara.

Arent und Sara wurden mir direkt ins Herz geschrieben. Sie haben beide ihre Dämonen - was sie aber nicht weniger liebenswert macht. Sie wuchsen mir umso mehr ans Herz, je tiefer das dunkle Meer wurde. Auch die anderen Figuren konnte ich nicht gänzlich hassen, obgleich manche von ihnen echte Kanaillen waren. Ich verstand ihre Beweggründe und Intentionen. Das Buch ist aus mehreren Perspektiven erzählt - was das ganze nur umso spannender machte. Gut gespielt, Turton. Ich rätselte zwischen den Seiten immer wieder, wer nun der Mörder war und wie sich die Tat abgespielt hatte. Bisweilen wurde es richtig gruselig zwischen hohen Wellen, Regenpeitschen und Gewitterfronten.
In die Dialoge hätte ich am liebsten eingegriffen und mich an den Gesprächen beteiligt. Lebendig, spritzig, raubeinig, ehrlich - so müssen Dialoge sein und Turton hat das richtig gut hinbekommen. Das Buch ist ein Schwergewicht mit seinen nahezu 600 Seiten - und entwickelte sich für mich zu einem wahrhaften Pageturner.

Am Ende wartete ein richtig cooler Turn auf mich. Also, ihr Landratten - kommt an Bord, setzt die Segel und fahrt ins Dunkle Meer - aber Vorsicht: Ihr könntet dabei euer Leben verlieren.