Sieben Erzählungen
Bewertet mit 4.5 Sternen
Egal, ob nun ein Jude so tut, als sei er der beste Katholik von allen oder ein anderer erst in Berlin, wo er sein Erbe antreten soll, erfährt, was Jude sein bedeutet – Irene Dische hat einen vortrefflichen Humor, der mir ein erheiterndes Grinsen aufs Gesicht zauberte. Sie ist eine hervorragende Beobachterin, der es mühelos gelingt, ihren Figuren Leben einzuhauchen.
Die Erzählungen spielen in Deutschland und in Amerika, handeln von Deutschen, Russen und Polen. Niemand kann hier seine Herkunft verleugnen, höchstens seine Religion. Als Leser schaut man relativ emotionslos von außen zu und kann die Handlungsweise der Protagonisten trotzdem gut nachvollziehen.
Dem Leser drängt sich regelrecht das Leben der Autorin auf, die als Tochter deutschstämmiger jüdischer Emigranten am 13. Februar 1952 in New York geboren wurde. Sie wuchs in Manhattan auf - und zwar in dem Teil, in dem sich nach ihrer Aussage die aus Nazi-Deutschland geflohenen jüdischen Immigranten so dicht zusammendrängten, dass sie erst als Fünfjährige auf einem New Yorker Spielplatz das erste englische Wort hörte.
Ihr Vater war ein renommierter Biochemiker, die Mutter arbeitete als Pathologin für die Gerichtsmedizin. Trotz ihrer jüdischen Herkunft wurde Irene Dische streng katholisch erzogen. Das passt sehr gut zur Titelgeschichte dieses 1989 erschienenen Debüts der Autorin. Darin lernen wir die Pathologin Conny Bauer kennen, die nach der Trennung vom Vater ihrer Kinder (einem Nobelpreisempfänger) wieder ins Elternhaus zurückgezogen ist. Als ihre Tochter glaubt, dass der angsteinflößende Opa der geflohene Adolf Hitler ist, nimmt die Geschichte ihren Lauf …
Doch niemandem ist gedient, die Storys verkürzt und damit notwendig verflacht nachzuerzählen. Den sehr verschiedenen Genüssen, Härten und Spannungen dieser Geschichten soll sich der Leser zu eigenem Frommen, möglichst ohne Lügen, selber aussetzen (diesen Abschnitt meiner Besprechung habe ich aus Zeit online geklaut).
Eines hat dieses Debüt jedenfalls geschafft: ich bin neugierig geworden auf die Autorin, die inzwischen auf eine ganze Reihe von weiteren Veröffentlichungen zurückschauen kann.
Kommentare
wandagreen kommentierte am 16. Oktober 2021 um 17:30
Ich habe gerade Die militante Madonna von ihr gelesen, mein erstes von ihr: Mir scheint, dass die Frau Dische eine sehr gute Autorin ist.
gst kommentierte am 17. Oktober 2021 um 11:51
Da könntest Du recht haben! Ich werde jedenfalls nach weiteren Werken von ihr Ausschau halten ;-).