Rezension

Sieht so der Alltag in einem amerikanischen Gefängnis aus?

Orange Is the New Black - Piper Kerman

Orange Is the New Black
von Piper Kerman

Piper Kerman ist ein „All American Girl“ aus einer Familie der Ostküsten-High Society. Nach ihrem Collegeabschluss 1992 hat sie keine Pläne, sie jobbt mal hier, hilft mal dort aus, hat aber keine konkrete Vorstellungen darüber, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte. Als sie die einige Jahre ältere Nora kennenlernt, kommt eine gehörige Portion Thrill  in ihr Leben, denn diese gesteht ihr, dass sie für einen internationalen Drogenring arbeitet. Und damit beginnt eine aufregende Zeit in Pipers Leben: Partys, mondäne Orte und jede Menge Reisen von A nach B, bei denen sie für diese Organisation die monetären Erlöse aus dem Drogenhandel schmuggelt.

Aber auch diese Episode, bei ihr verbucht unter „Jugendsünde“, ist irgendwann abgeschlossen, und sie lebt mit ihrem Verlobten ein „normales“ Leben in New York – bis 1998 die Polizei an ihre Tür klopft und sie verhaftet. Es folgt ein Gerichtsverfahren und die Verurteilung zu einer Haftstrafe, die sie schließlich 2004 in einem Bundesgefängnis in Danbury, Connecticut antritt. Nach ihrer Entlassung 2005 fasst sie sofort wieder Fuß und veröffentlicht 2010 ihre Hafterlebnisse unter dem Titel „Orange is the new black“, die 2013 erfolgreich als Serie verfilmt wird.

Wer sich einen ungeschönten Einblick in den Alltag eines amerikanischen Frauengefängnisses erhofft, sollte ein anderes Buch als den autobiografischen Bericht von Piper Kerman wählen. Die Haftanstalt in Danbury scheint eher ein „Gefängnis light“ zu sein, in dem die Insassen relativ viele Freiheiten haben. Man kann hier mit seiner persönlichen Bibliothek einrücken, und auch was die Anzahl der externen Besucher angeht, scheinen die Vorschriften eher moderat zu sein.

Dazu kommt, dass Kerman als weiße, gebildete Upper Middleclass-Amerikanerin nicht unbedingt der typische Häftling ist, was man ihren Schilderungen auch anmerkt. Ich hatte immer wieder den Eindruck, dass die Autorin Feldforschung  betreibt und ihre Beobachtungen aus der Distanz niederschreibt.

Und wenn man ihr Glauben schenkt, sind auch ihre Mithäftlinge allesamt friedfertige Engel, die keiner Fliege etwas zuleide tun und nur durch die Verkettung unglückseliger Umstände im Gefängnis gelandet sind. Das gleiche Verhalten legt sie auch an den Tag, wenn es darum geht, ihre eigenen Verfehlungen zu bewerten. Für sie sind es lässliche Jugendtorheiten, nicht weiter schlimm – von Schuldbewusstsein keine Spur. Warum auch?

Man kann nun darüber philosophieren, wie die Geschichte geendet hätte, wäre Piper Kerman Afroamerikanerin gewesen. Ob sich dann der Gefängnisaufenthalt auch so lukrativ hätte vermarkten lassen? Wohl kaum!