Rezension

Solides Debüt mit Luft nach oben

Jetzt - Leon Reiter

Jetzt
von Leon Reiter

Bewertet mit 3 Sternen

Die Unachtsamkeit des indischen Professors Sivamani hat einen Riss in der Zeit zur Folge, durch welchen in einem kleinen spanischen Städtchen Zeitblasen (sogenannte Pockets) entstehen, die einen sowohl in die Vergangenheit als auch die Zukunft führen können und sich rasend schnell vermehren. Um den Schaden einzudämmen stellt er ein Team aus den drei Wissenschaftlern Ferdi, Stefania und Veronique sowie dem Soldaten Usher zusammen, welche das Chaos aufhalten sollen. Leider wissen sie beim Betreten einer Pocket nie, wo sie landen und welche Gefahren dort auf sie lauern.

Positiv hervorzuheben ist der flüssige Schreibstil. Man findet locker in die Geschichte und kann den Ausführungen des Professors zu den Anomalien der Zeit folgen. Auf diesem Weg versteht man die Story leicht, auch wenn man sich sonst mit Quantenphysik nicht auskennt.

Wir glauben, wir können alles beherrschen - die Naturgesetze, das Wetter, den Tod. Doch was, wenn wir die letzte Grenze überschreiten? Wenn wir die wichtigstes Konstante unseres Daseins zerstören... die Zeit?
Es gibt keine Vergangenheit mehr. Keine Zukunft. Für die Rettung unserer Welt bleibt uns nur noch eins - das Jetzt...

Nach der Lektüre finde ich den Text der Rückseite ziemlich unpassend. Der Verlust der Zeit wurde anfangs nur beiläufig thematisiert, da hätte man ruhig etwas dicker auftragen können, um eine latente Angst zu schaffen. Was genau würde denn passieren, wenn die Zeit verloren geht? Und wie genau soll sie den Menschen denn abhanden kommen?

Allerdings wäre es auch dann irreführend, denn es ist ja nichts verloren, es sind sogar Vergangenheiten durch die Pockets begehbar, die vor der eigenen Geburt, sogar vor den ersten Menschen, liegen. Für mich war zu keiner Zeit das Gefühl präsent, dass auf einmal die Zeit an Bedeutung verliert. Viel mehr wurde immer wieder darauf gepocht, dass die Zeit mehr als wichtig ist, denn man wollte unbedingt das eine Portal finden, welches möglichst nah am Zeitpunkt der Katastrophe liegt, um diese verhindern zu können.

"Die Vielfalt sämtlicher Möglichkeiten führte dazu, dass man die Komplexitäten kaum noch geistig zu bündeln vermochte." (Seite 298)

Wirklich komplex wurde es leider nie. Man bekommt eher den Eindruck, dass dem Autor selber irgendwann das Spiel mit der Zeitreise über den Kopf gewachsen ist. Die Protagonisten agieren weitestgehend überhaupt nicht mit der Zeit, in die sie reisen. Sie dürfen auf keinen Fall etwas verändern und müssen immer schnellstmöglich in die Jetzt-Zeit zurück. Da häufen sich zwar die Besuche in Vergangenheit und Zukunft, es hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck, weil es immer nach dem selben Schema abläuft: reingehen - überleben - zurückkommen. Leider blieb da Potential auf der Strecke, denn man konnte sich nur in ganz wenigen -dann aber wirklich spannenden!- Situationen auf andere Zeiten einlassen, alles andere wurde meist innerhalb von ein paar Seiten abgehandelt.

Auch die Protagonisten gewinnen im Laufe der Geschichte nicht an Tiefe und so ist einem ihr Schicksal sogar ein Stück weit egal.
Wirklich enttäuscht hat mich letztendlich die Lösung des Problems. Diese Möglichkeit wird innerhalb von ein paar Seiten abgehandelt und lässt den Leser mit einem offenen Ende etwas unbefriedigt zurück. Das Finale, also der letzte Eindruck, den ein Leser vom Buch behält, wirkt hier leider nur halbfertig und hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Fazit: Die Geschichte ist solide aufgebaut, für mich aber kein Thriller. Dafür fehlte einfach durch die sich wiederholenden Missionen zwischenzeitlich etwas die Spannung.