Rezension

Spannend und abwechslungsreich

Blauäugig. - Beate Winter

Blauäugig.
von Beate Winter

Bewertet mit 5 Sternen

„...Sie müsse ins Heim, hatte er gesagt, und ihre Geschwister dürfe sie nie wieder sehen, wenn sie nicht artig sei und ihren Mund nicht hielt...“

 

Obiges Zitat stammt aus dem Prolog des Buches. Ein Kind hört wieder die Schritten des Mannes, er sich an ihm vergeht. Doch eine zweite Person kommt im Prolog vor. Ihr Part ist kursiv abgedrückt. Da kennt einer die Wahrheit, und hat Angst, sie zu sagen.

Seit fünf Wochen, seit dem Tag seiner Entlassung aus der Haft, lebt Richard Wehmeier in einer schimmligen Wohnung. Acht Jahre hatte er abgesessen wegen des Mordes an der kleinen Betti. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen hatte ihm niemand geglaubt. Er ist auf den Weg in seine Stammkneipe. Dort erhält er einen Anruf. Jemand nennt ihn einen Treffpunkt mit der Versicherung, die Wahrheit über das damalige Geschehen zu wissen. Wenige Stunden später ist auch die kleine Lisa tot. Im Hause finden sich Spuren von Richard.

Der Rentner Gustav Sargens sieht den Briefträger kommen. Einer der Briefe, die er aus dem Kasten nimmt, ist ungewöhnlich. In aller Hast packt er ein paar Sachen zusammen und fährt mit dem Auto weg.

Die Autorin hat einen tiefgründigen und spannenden Krimi geschrieben. Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Vor allem auf zwei möchte ich näher eingehen.

Da ist zum einen Richard Wehmeier. Er hat früher als Sozialarbeiter bei der Stadt Gifthorn gearbeitet. Durch seinen Beruf hat er Bettis Mutter kennengelernt. Er mag sie, liebt aber trotzdem seine Frau. Jetzt kennt er nur noch ein Ziel, seine Unschuld zu beweisen.

Der Fall landet bei Kriminalhauptkommissar Kilian Frommelt. Hier fallen insbesondere die Spannungen zwischen ihm und seinem Chef auf. Frommelt denkt darüber nach, ob er den richtigen Beruf gewählt hat. Er kam neu ins Team, als Bettis Mörder gesucht wurde. Schon damals hat er an Richards Schuld gezweifelt. Auch jetzt muss er damit leben, dass ihn Steine in den Weg gelegt werden. Vor allem Simone, Richards Exfrau, steht unter dem Schutz seines Vorgesetzten.

Der Autorin geht es nicht nur um die Aufklärung der Fälle. Bei ihr stehen Menschen im Mittelpunkt mit Ecken und Kanten. Jeder der Protagonisten hat mehr oder weniger Probleme, mit dem Leben und seinen Mitmenschen zurecht zu kommen.

Der Schriftstil ist fast sachlich. Genau dass aber ermöglicht einen Einblick in die Psyche der handelnden Personen. Gut herausgearbeitet werden die Emotionen der Protagonisten. Richards Verzweiflung über sein zerbrochenes Leben, seine Sehnsucht nach Simone, die sich von ihm getrennt hat, Brigittes Mitgefühl trotz eigener Probleme und Monikas Minderwertigkeitskomplexe, die auch ein Produkt ihrer Umwelt sind, durchziehen unter anderem die Geschichte. Dazwischen gibt es die kursiven Einschübe, die von Angst erzählen und von dem Drang, die Wahrheit sagen zu wollen. Aussagekräftige Dialoge vertiefen den Handlungsablauf. Sehr einfühlsam geht Frommelt bei seiner Befragung von Rene vor, einem Jungen, der geistig mit seiner Umwelt nicht mithalten kann und deshalb oft abgelehnt wird. Der Ort mit seinen Sehenswürdigkeiten wird anschaulich beschrieben, so das sofort ein Bild im Kopf entstand.

Das Cover mit dem Feld und der Baumallee ist für einen Krimi ungewöhnlich.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte ist logisch stimmig, konsequent durchstrukturiert, mit den nötigen Überraschungen versehen und flott lesbar.