Rezension

Spannend und inhaltsreich

Stadt der Verschwundenen - Dee Henderson

Stadt der Verschwundenen
von Dee Henderson

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ideen waren empfindliche Geschöpfe. Es würde möglicherweise noch viele davon geben, die wieder von der Angel schlüpften, bevor sie etwas fand, was sich weiterzusagen lohnte...“

 

Ann trifft Joshua Thane beim Angeln. Sie bereitet ihn darauf vor, dass Grace Arnett ihn um einen Gefallen bitten wird, wenn die Zeit dafür reif ist. Grace stammt aus dem Ort und hat ihn noch als Kind verlassen. Josh mochte sie und hatte mit der Trennung schwer zu kämpfen.

Gabriel Thane ist Sheriff in der Kleinstadt Carin. Er wird zu einem Unfall gerufen. Ein Reh war in ein Auto gelaufen. Die Fahrerin Evie hatte sich von der Unfallstelle entfernt. Eigentlich war Evie nach Carin gekommen, um ein paar Tage Urlaub zu machen und dabei zwei alte Kriminalfälle aufzuklären. Im Ort war vor Jahren ein Kind verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Gleiches gilt für die Familie eines Polizisten. Für solche Fälle will der neue Gouverneur eine Task Force einsetzen. Evie hofft, sich durch ihre Arbeit dafür zu empfehlen.

Der Autor hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das liegt nicht zuletzt an der abwechslungsreichen Handlung.

Gleich zu Beginn werden die Protagonisten ausreichend charakterisiert. Evie ist ehrgeizig. Sie weiß, was sie kann und möchte es zeigen.

Gabriel hat als Sheriff die Nachfolge seines Vaters angetreten. Er nimmt seine Aufgabe ernst, ist von den Einwohnern geachtet und ist im großen und ganzen mit seinem Leben zufrieden.

Will, der älteste Bruder von Josh und Gabriel, hat ein gutes Händchen für Tiere und kümmert sich um Evies Hunde, die den Unfall leicht verletzt überstanden haben. Will ist mit Karen befreundet, weiß aber noch nicht, dass die junge Frau in Gefahr ist.

Der ruhende Pol in der Familie ist ihre Mutter Maria. Sie ist gläubig und führt ein reges Gebetsleben. Ihre Jungen können mit jedem Problem zu ihr kommen. Ann, die weiß, was in der nächsten Zeit auf die Familie zukommt, bittet sie um Gebete. Auffallend ist, dass Maria niemand den Glauben aufzwingen will und kein Problem damit hat, wenn eine Partnerin der Söhne mit dem Glauben wenig anfangen kann.

Der Schriftstil des Buches ist ausgefeilt. Sehr genau werden Evies Arbeitsschritte und Gedanken zu den Entführungsfällen wiedergegeben. Obiges Zitat fällt nach ihren ersten Einschätzungen der Lage. Die junge Frau ist gründlich, verlässt ausgetretene Pfade und hinterfragt ihre Ideen. Dabei kommt ihr zugute, dass sie als Außenstehende emotional weniger in die Fälle involviert ist wie Gabriel und sein Vater. Geschickt animiert die Autorin mich als Leser zum mitdenken und mit knobeln. Natürlich darf ich dabei auch sämtliche Irrwege mitgehen. Doch die Ermittlungsarbeit ist nur eine Seite des Buches. Der zweite Aspekt sind die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Protagonisten.Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören für mich die sehr gut ausgearbeiteten Dialoge. Wenn sich Ann und Evie über berufliche Entwicklungen unterhalten und dabei christliche Aspekte mit einbeziehen, fühlt man sich als Leser fast persönlich angesprochen. Ein von Gabriel und Evie geführtes Gespräch mit einem Psychologen über die verschwundene Familie zeigt, was geschickte Gesprächsführung vermag. Rückblicke in das Leben einiger Protagonisten lassen ihr Handeln in einem neuen Licht erscheinen. Sehr viel Wert legt die Autorin auf die Emotionen der Personen. Dabei geht sie sehr feinfühlig damit um. An vielen Stellen wird deutlich, dass in der Familie Thane der Glauben gelebt wird. Das spiegelt sich weniger in ihren Worten, mehr in ihrem Tun wider. Es fällt mir allerdings schwer dies in Worte zu fassen. Das muss man beim Lesen erleben. An verschiedenen Stellen kommt auch der Humor nicht zu kurz. Besonders Evie ist ein humorvoller Mensch. Das zeigt sich, nachdem sie den Schock des Wildunfalls überwunden hat.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Sympathische Protagonisten, eine spannende Handlung und logisch gekonnt verknüpfte Ermittlungen sind ein paar der Punkte, die das Lesen zum Vergnügen machen.

Zum Schluss darf Evie nochmals zu Wort kommen.

„...Sie wusste, dass Gott ihr die Zeit ließ, darüber nachzudenken und zu entscheiden, was sie wirklich wollte...Innerhalb seiner liebevollen Grenzen konnte sie den Weg wählen und Gott würde mit ihrer Entscheidung einverstanden sein...“