Rezension

Spannender Milieu-Krimi mit bissigen Dialogen und skurrilen Figuren

Kobra Bar - Sina Graßhof

Kobra Bar
von Sina Graßhof

Inhalt:

In der Szene-Kneipe „Kobra Bar“ werden eines nachts vier Männer erschossen. Organisiertes Verbrechen, Racheakt, Amoklauf? Nach den üblichen investigativen Befragungen werden Angestellte und Gäste in die frühen Morgenstunden entlassen. Ermittler Schiller und seine Kollegen tappen allerdings in tiefster Finsternis. Das Motiv ist unklar, die Suche nach dem Täter gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Währenddessen macht Kellnerin Fanny eine unheilvolle Entdeckung. Sie vertauschte im Chaos die Taschen und der Inhalt ist mehr als brisant, eine halbe Million Euro. Fanny schwant schon, wer der „rechtmäßige“ Besitzer dieses Fundes ist. Mussten die Männer wegen des Geldes sterben?

Aus Angst und Verzweiflung gibt Fanny dem tollkühnen Vorschlag ihres Freundes Kalle und gemeinsam reisen sie völlig unvorbereitet in die USA, um den schnöden Mammon zu verprassen. Das Schicksal und ihr Gewissen machen ihnen einen gehörigen Schnitt durch die Rechnung und ihr dilettantisches Vorgehen ist zum Scheitern verurteilt.

Kommen die beiden noch mit einem blauen Auge davon? Und gelingt es der Polizei die wahren Hintergründe der Tat im Milieu aufzudecken?

 

Meine Meinung:

Die Autorin Sina Graßhoff beweist, in ihrem Debüt, ein Gespür für verzwickte Handlungsstränge und kleine Details geschickt zu kombinieren.

Ihr Schreibstil beschreibt locker und lässig die düstere Atmosphäre und die pessimistische Grundstimmung bei nahezu allen Beteiligten.

Die Charaktere sind perfekt aufeinander abgestimmt und die meisten wurden sehr gut getroffen.

Die eindrucksvollste Figur ist wohl Viktoria, ebenfalls Kellnerin in der Kobra Bar, nimmt sie die wohl wichtigste Rolle in der Handlung ein und gibt der Story ihre Würze. Kaltschnäuzig, berechnend und kühl, schlichtweg bösartig, schreckt sie vor nichts zurück, ihre Gegner aus dem Weg zu räumen. Leider sind vor allem die Männer der manipulativen Art dieser Femme Fatale schutzlos ausgeliefert. Ehe sie ihr wahres Gesicht preisgibt, ist es meist zu spät.

Kommissar Schiller ist mir für meinen Geschmack etwas zu „brav“ und phlegmatisch geraten. Mehr Biss, Bauchgefühl und Menschenkenntnis würden seiner Spürnase gut tun. Er lässt sich allzu leicht ablenken und auf die falsche Fährte locken.

Fanny und Kalle sind die tragischen Figuren in dieser Story. Liebenswert, aber viel zu naiv, um ihre Pläne erfolgreich durchzuziehen. Ihr Trip wird, statt dem erhofften Liebesurlaub, eine Reise ins Verderben. Die Autorin hat hier die Emotionen der anfänglichen Euphorie, bis hin zur ausweglosen Verzweiflung, sehr gut eingefangen.

 

Die Ausmaße und die Bedeutung des Falles erschließen sich dem Leser erst nach und nach. Es gilt die gestreuten Puzzlestücke zu finden und im Kopf, zu einem klaren Bild, zusammenzusetzen.

Man sollte vielleicht ein Faible, für die Art, düsterer Krimis haben. Denn dieses Buch lebt nicht von rasantem Tempo, atemberaubende Action oder spektakuläre Wendungen. Vielmehr besticht er mit subtiler Psychologie und Eigendynamik.

 

Insgesant ein sehr gelungenes Erstlingswerk, das hier und da, noch etwas Feinschliff vertragen könnte. Bei manchen Szenen hätte ich mir noch mehr Nachhaltigkeit und Tiefe gewünscht.

Dennoch ist es der Autorin gelungen, keinen 08/15-Thriller abzuliefern, sondern beweist den Mut sich von der breiten Masse abzuheben.

 

4 Sterne von mir