Rezension

Starker Anfang, schwacher Verlauf

Die Buchhändlerin von Orvieto - Valentina Pattavina

Die Buchhändlerin von Orvieto
von Valentina Pattavina

Italienfans, Bücherfreaks und Freunde schwarzen Humors werden gleichermaßen Spaß an dieser originellen Aussteigergeschichte haben: Matilda, stadtverdrossene Römerin, entdeckt die charmanten Abgründe der Provinz und deren literarische Geheimnisse. So was! Ein solch herber Empfang in der schönsten Stadt Umbriens: Schon am Tag ihrer Ankunft wird Matilda, Römerin, Single, Anfang Vierzig, von einem fiesen Wespenschwarm überfallen. Hoffentlich kein schlechtes Omen, denn eigentlich hatte sie vorgehabt, ihr Leben umzukrempeln und sich hier im beschaulichen Orvieto niederzulassen. Zum Glück wird sie dann von der ebenso skurrilen wie entspannten Nachbarschaft mit offenen Armen aufgenommen. Und dank ihrer Bekanntschaft mit Professor Paolini erfüllt sich sogar ihr Traum: Sie bekommt einen Job in der schönsten Buchhandlung am Platz und kann sich mit einem echten Kenner über ihre literarischen Leidenschaften austauschen. Aber Orvieto und vor allem die darum liegenden Pinienwälder bergen ein Geheimnis, und das harmonische Miteinander ist plötzlich in Frage gestellt. (Graf-Verlagsseite)

Verspricht der Klappentext nicht eine Geschichte, die das Herz jedes Lesers oder Buchliebhabers höher schlagen lässt? Eine allein stehende Frau, der Großstadt überdrüssig oder auf der Flucht vor irgendetwas /- jemandem, findet in ihrer neuen Heimat eine Stelle in einer kleinen, inhabergeführten und liebevoll eingerichteten Buchhandlung. Nach einiger Zeit scheint die Liebe zu winken, und im Hintergrund lauert ein nicht gelöstes Rätsel um einen unbekannten Toten.

Das Buch fängt an, wie man es sich vorstellt. Mit einer kleinen Zugabe: Die Protagonistin wird von einem Wespenschwarm angegriffen. Aber ihre neuen Mitbürger sorgen für sie (Einreibungen mit Knoblauch und Oilivenöl!), und auch dafür, dass sie sich schnell zuhause fühlt.
In Gesprächen mit Sergio Paolini, ihrem neuen Chef, teilt Mathilde ihr profundes Wissen über klassische und italienische Literatur mit dem Leser, der, falls er ein nicht-klassisch ausgebildeter Nicht-Italiener ist, vom Buch des öfteren zu Google wechseln muss, um sich genau kundig zu machen.
Dass Mathilde sich zwei Hunde zulegt, die sie „Doris“ und „Lessing“ nennt, soll am Rande erwähnt werden.

Michele, Sergios Neffe und Journalist bei einer Zeitung, möchte einen zehn Jahre zurückliegenden Todesfall aufklären. Man weiß bis heute nicht, wer der Tote war und ob es Mord oder Selbstmord war. Er gewinnt Mathilde als Mitstreiterin, doch ihnen werden von den Nachbarn und Freunden – alte Ladenbesitzer in der Nähe der Buchhandlung – Steine in den Weg gelegt.

Hier beginnt das Buch zu schwächeln; der rote Faden wird schlaff, und es passiert, abgesehen von einem opulenten Abendessen und einer merkwürdigen Dichterlesung, nicht allzu viel. Das Bild, das man sich bis dahin von Mathilde gemacht hat, wird blasser. Vor allem wird derjenige Leser enttäuscht, der
auf eine Liebesgeschichte hofft.

Was die Texte, die jedes Kapitel überschreiben, zu bedeuten haben, erschließt sich mir nicht. Zunächst hielt ich sie für Abschnitte aus der Bibel – der einmal erwähnte „Hiob“ lässt darauf schließen und auch die Sprache –, dann wollte ich sie Dante Alighieri zuordnen, doch beides war ein Irrtum. Weil kein Verweis auf eine Autorenschaft zu finden ist, muss man davon ausgehen, dass sie von Pattavina selbst stammen. Bei einigen wenigen kann man sich irgendwelche inhaltlichen Querverbindungen zum nächsten Kapitel zusammenreimen, doch klar wird nichts. Wozu also diese mystisch-geheimnisvollen, zum Teil fast dystopischen Texte?