Rezension

Szenenbild Wien 18.Jahrhundert in Perfektion!

Am Anfang war die Nacht Musik - Alissa Walser

Am Anfang war die Nacht Musik
von Alissa Walser

Bewertet mit 4.5 Sternen

Am „Anfang war die Nacht Musik“ spielt im Wien des 18. Jahrhunderts und erzählt von dem Arzt Mesmer und seiner Patientin Maria. Der Arzt spielt meisterhaft die Glasharmonika und experimentiert seit langem mit Magnetismus, dem animalischen Fluidum, das er mithilfe seiner Hände nutzt, um die Nerven seiner Patienten zur Ruhe zu bringen. Mesmer ringt verzweifelt um die Anerkennung seiner Kollegen, besonders um die des Kollegen Störck, der so gut mit Worten umzugehen und seine Methoden kristallklar auf Papier zu bringen weiss. Nimmt Mesmer deshalb die Herausforderung an, die hochmusikalische Maria Paradis in seine medizinische Obhut zu nehmen, die blinde Tochter des Hofsekretärs und Protegée der Kaiserin? Zu deren Ärger wird es immer schlimmer mit Maria, denn die unnatürlich vorquellenden Augen des jungen Mädchens rollen wie die einer Tollwütigen, so dass die Kaiserin sich ihrer Kunst nicht mehr bedienen kann ohne bei ihrem Anblick Abscheu zu empfinden. Oder ist es Mitleid, denn die ehrgeizigen Eltern drangsalieren Maria und haben sie jahrelang mitleidlos miss(-be)handeln lassen, so dass Messmer seufzend anmerkt, es sei an und für sich schon eine Kunst, dass die Patientin die Kuren ihrer Ärzte überlebte. Gelingt Messmer, woran die anderen scheiterten, den Sehnerv der Patientin mit seiner umstrittenen Methode wieder herzustellen? Die Kaiserin wartet schweigend zu Hofe, die Kollegen der Schulmedizin hämisch.

Ich bin sicher, dieses Buch wird nicht jedem gefallen. Es klingt in einer eigenen Sprache, die vergangene Epoche und deren Geisteshaltung nachahmend, musikalisch, auslassend, verhüllend, andeutend; jedoch nicht unlogisch, so wie auch die Musik nicht unlogisch ist, sondern einem strengen Konzept folgt. Man weiss nicht immer, was Realität ist und was Wunschdenken, üble Nachrede oder Geschehen, das erhöht den Reiz des Buches, es ist ein bisschen schwermütig und ein bisschen geheimnisvoll.

Dass Mesmer später nach Paris flieht, wovor?  Vor seiner Ehe, vor seinem Erfolg, vor seinem Misserfolg oder vor sich selber? ist ein weiterer poetischer Höhepunkt oder Tiefpunkt, ganz wie man es deutet.

Fazit: Dieses Buch hat mich nach und nach immer mehr in die erzählte Epoche und in seine Musikalität hinein gezogen als ob ich die selben Kleider trüge und genau so röche wie das Küchenmädchen Kaline und genau so viel Musik und Magnetismus in mir flösse wie in den Protagonisten.