Rezension

Temporeiches Familiendrama

Das Erbe der Madame Dupont - Iris Hammers

Das Erbe der Madame Dupont
von Iris Hammers

Bewertet mit 3 Sternen

Bei „Das Erbe der Madame Dupont“ handelt es sich um das Erstlingswerk der Autorin Iris Hammers, welches auf dem Buchrücken als „ein sinnlich-spannendes Leseerlebnis“ beworben wird. Dieser Aussage kann ich mich nach der Lektüre so allerdings nicht anschließen. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass Cover und Klappentext beim Leser unpassende Erwartungen an den Roman erzeugen. Aus diesem Grunde werde ich an dieser Stelle keine eigene inhaltliche Zusammenfassung vornehmen, sondern verweise auf den Klappentext:

„Helen, mit Mann und Sohn gerade erst nach Lyon umgezogen, freundet sich mit ihrer Nachbarin Madame Dupont an, die zurückgezogen in einer alten Villa auf einem parkähnlichen Grundstück lebt. Als sie deren charismatischen Neffen kennenlernt, der mit seinem Burder ein exklusives Gourmetrestaurant im Herzen von Lyon betreibt, ahnt sie nicht, dass sie mit dieser Bekanntschaft sich und ihre Familie in Gefahr bringt...“

Dazu zeigt das Cover die Fensterfront eines französischen Restaurants; alles in warmen, teils rötlichen Brauntönen.

Aufgeteilt sind die knapp 300 Seiten des Buches dabei auf insgesamt 54 entsprechend meist sehr kurz gehaltene Kapitel.

Protagonistin des Romans soll also die deutschstämmige Helen sein, die sich mit ihrer Familie in Frankreich einlebt und dabei Jeanne Dupont und ihre Neffen Maurice und Paul kennenlernt. Trotzdem liegt der Fokus der Geschichte kaum auf Helen, sondern viel mehr auf Maurice. Neben der gegenwärtigen Haupthandlungsebene, auf der ihm auch schon so manches Kapitel gewidmet wird, erzählt nämlich ein Großteil des Buches von seiner grausamen Kindheit. An sich wäre das nicht unbedingt schlecht, hier macht es Helen allerdings schon fast zu einer Nebendarstellerin, denn sie entdeckt nicht wirklich das Geheimnisvolle rund um die Familie von Madame Dupont, sondern gerät einfach dazwischen und muss mit den Konsequenzen leben. Das finde ich persönlich sehr schade, denn mir hätte es besser gefallen, wenn die Geschichte größtenteils von der Perspektive der Protagonistin aus aufgedeckt worden wäre. So wäre dem Leser zum einen mehr Gelegenheit gegeben worden, mit der Protagonistin zu sympathisieren und zum Anderen wäre dadurch meiner Ansicht nach auch vielmehr das Gefühl erzeugt worden, „sich mitten in der Handlung zu befinden“. So wurden dem Leser mit den Rückblenden einfach alle Informationen (wenn auch Stück für Stück) vorgelegt.

Die Rückblenden selbst sind für mich aber auch in anderer Hinsicht ein weiterer Kritikpunkt, denn thematisiert wird auf der Vergangenheitsebene in erster Linie häusliche Gewalt und daneben auch Kindsmissbrauch. Wären diese Aspekte nur gelgentlich und beiläufig erwähnt worden, hätte sich meine Kritik erübrigt, da sie aber wirklich eines der zentralen Themen des Romans ausmachen und dementsprechend häufig und auch recht ausführlich zur Sprache kommen, hätte ich eine dahingehende Andeutung im Klappentext begrüßt. Dass die Vergangenheit eines Charakters beleuchtet wird, ist schön und gut, der starke Fokus auf diesen grausamen Elemente kam für mich allerdings sehr überraschend und hat mir nicht besonders gut gefallen. Wenn ich einen Thriller lese, darf mich so etwas natürlich nicht aus der Bahn werfen, bei diesem Roman hatte ich allerdings nicht mit einer solchen Ausführlichkeit dieser Aspekte gerechnet.

 

Wie bereits erwähnt sollten diese Rückblenden wohl dazu dienen, eine Charakerentwicklung darzustellen. Dies ist zumindest insofern gelungen, dass man als Leser die Motive und Handlungen dieser Person besser nachvollziehen konnte.

Von diesem Charakter aber abgesehen, bleiben die restlichen Rollen und insbesondere die eigentliche Hauptfigur Helen sehr blass – was aber allein schon bei der Quantität an Kapiteln rund um Maurice auch kein wirkliches Wunder ist. Man erfährt zwar ein wenig von Helens Vergangenheit und liest über einige Interaktionen mit ihrer Familie, insgesamt konnte ich allerdings nicht mit ihr sympathisieren. Die Beschreibung ihres Charakters blieb dabei zu oberflächlich und gerade in den Gesprächen mit ihrem Mann Gregor wirkte ihr Verhalten auf mich stellenweise sehr inkonsequent und insgesamt schlichtweg nicht nachvollziehbar.

Gregor selbst wurde übrigens auch ein ganz eigener kleiner Handlungsstrang gewidmet, der nur leider weder im Zusammenhang mit der Haupthandlung stand, noch seinen Charakter sympathischer oder tiefgründiger aussehen ließ.

Besonders enttäuscht war ich allerdings von Madame Dupont, denn dafür, dass es ihr Name sogar in den Titel geschafft hat, empfand ich sie als am unglaubwürdigsten. Sie lernt Helen kennen und nahezu sofort sieht sie in ihr die Tochter, die sie nie hatte, schüttet ihr ihr Herz aus, ergreift gegenüber ihren Neffen grundsätzlich Position für Helen und nimmt sie sogar ins Testament auf.

Für mich war die wohl einzig authentisch wirkende Figur in diesem Roman Teenager Max, der Sohn von Helen und Gregor.

 

Lasse ich meine Abneigung gegen die brutalen Rückblenden und die schwache Charakterdarstellung aber mal außer Acht, muss ich auch sagen, dass die Handlungsstränge in ihrer hiesigen Form dennoch recht spannend konstruiert worden sing. Durch das abwechselnde Erzählen von Vergangenheit und Gegenwart wurde ein gewisser Spannungsgrad zumindest insofern konstant gehalten, als dass man als Leser das Interesse an der Handlung nur schwer verlieren konnte, da die Geschichte in einem hohen Tempo ihren Lauf nimmt. Die kurzen Kapitel haben mit ihrem schnellen Wechsel zwischen den Handlungsstängen und ihrem Einfluss auf die Lesemotivation ihr Übriges dazu beigetragen, so dass der Roman trotz seiner Schwächen durchaus für temporeiche Unterhaltung sorgen kann.

 

Abschließend sei noch angemerkt, dass es sich hierbei um keinen Roman handelt, in dem Essen und Kochen von großer Bedeutung sind. Insofern kann ich nicht wie der Buchrücken von einem „sinnlichen Leseerlebnis“ sprechen. Tatsächlich ist das Restaurant von Maurice und Paul einer der Handlungsorte und daher wird auch mal das eine oder andere Gericht oder ein Wein genannt und mit Glück werden ihm sogar noch ein paar weitere Sätze gewidmet. Darüber hinaus geht der kulinarische Aspekt des Buches allerdings eben nicht und dient entsprechend höchstens als Kulisse.

 

Fazit: wenn man offen und insbesondere ohne spezifische Genre-Erwartungen an das Buch herangeht, wird man mit einem vielschichtigen Roman mit viel Handlung auf wenig Seiten belohnt, der es durchaus schafft eine gewisse Spannung aufzubauen und den Leser solide zu unterhalten, selbst wenn es zwischen den vielen Handlungssträngen deutlich am Tiefgang der Charaktere fehlt und der Aufbau der Geschichte vielleicht ein bisschen unglücklich wirkt.