Rezension

There's no place like Split

Träume und Kulissen -

Träume und Kulissen
von Alida Bremer

Bewertet mit 5 Sternen

“Man träumte auch von der Gerechtigkeit einer klassenlosen Gesellschaft, von der Brüderlichkeit zwischen Arbeitern und Bauern, von starken Staaten und noch stärkeren Staatsführern, von der Flucht nach Amerika und von der Flucht wohin auch immer.”
 Alida Bremer lebt und arbeitet als Übersetzerin und Autorin in Deutschland. Das große Thema der kroatischen Schriftstellerin ist ihre Heimatregion Dalmatien. Im Roman “Olivas  Garten" erzählt Bremer in verfremdeter und fiktionalisierter Form ihre Familiengeschichte mütterlicherseits, die vor allem vom Partisanenkampf im Zweiten Weltkrieg geprägt war.
Auch in ihrem neuen Roman entführt Bremer den Leser oder die Leserin  an die Adriaküste. 1936 gehört die kroatische Stadt Split offiziell noch zum Königreich Jugoslawien, welches 1941 nicht mehr existieren soll. Die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts sind eine Zeit des Umbruchs – diverse politische Gruppierungen kämpfen um die Vorherrschaft, Schlepper verdienen in der Adriametropole mit dem Elend der Menschen ihr Geld, da viele Juden verzweifelt versuchen, Europa zu verlassen.Italienischer Irredentismus trifft auf Faschismus und Kommunismus.  Gewiefte  Glücksritter sind unterwegs: Ein deutsches Filmteam hat das ehemalige Spalato für sich entdeckt, die Kunst ist jedoch pure Projektion. Und dann geschieht auch noch ein Mord...

“Träume und Kulissen” ist ein toller historischer Kriminalroman. Der Handlungszeitraum beträgt geschätzt zwar nur eine Woche, dies schadet dem Gehalt der Geschichte jedoch nicht!
Die Autorin profitiert ganz klar vom Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Sprachlich und stilistisch konnte mich die Geschichte absolut überzeugen, man kann als Leserin oder als Leser en passant sehr viel über Südosteuropa lernen, man muss sich jedoch auch konzentrieren, um alle Nuancen zu erfassen.Dalmatinische Einsprengsel wie “briskula" sorgen für  Authentizität.   Die Figuren sind gut ausgearbeitet. Das kosmopolitische (oder provinzielle?) Split ist dem Ermittler Mario  Bulat keine große Hilfe. Die Leute reden viel und sagen wenig, der “Schnüffler" bleibt in der Stadt ein Außenseiter , dies wird mit glaubwürdigen erzählerischen Mitteln transportiert. So kommt es, dass alles eher zufällig aufgeklärt wird, das Krimielement rückt im plot in den Hintergrund, da voller Erzählfreude gezeigt wird, dass Split eine Stadt wie keine andere ist.
Fazit:
“Träume und Kulissen” ist ein anspruchsvoller Unterhaltungsroman, vielleicht auch ein versteckter Kommentar zur Zeitgeschichte. Die Story rund um eine versunkene mediterrane Welt hat mich absolut gefesselt. Daher spreche ich gerne eine Leseempfehlung aus, auch über eine Verfilmung würde ich mich freuen. 

Kommentare

katzenminze kommentierte am 29. August 2021 um 21:41

Guck, da hab ich sogar von deiner Rezension noch was gelernt. ;) "Versteckter Kommentar zur Zeitgeschichte" ist ein interessanter Gedanke!

LESERIN kommentierte am 29. August 2021 um 23:42

Eine These... Dankeschön!