Rezension

Es brodelt

Träume und Kulissen -

Träume und Kulissen
von Alida Bremer

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Wie schön unsere Stadt ist, sjor Cambi! Es wundert mich nicht, dass es Reisende gibt, die sie besichtigen wollen. Aber wie groß ist der Unterschied zwischen einer Reise und der Flucht!" S. 119

Im Sommer 1936 brodelt es in der beschaulichen Küstenstadt Split: Dampfer voller Touristen landen vor der Küste, es geht das Gerücht, dass bald ein neuer Krieg ausbrechen könnte, was aber vielerorts als pures Märchen abgetan wird. Die pittoresk im Hafen dümpelnden Fischerboote stehen im Verdacht nächtens Flüchtlinge außer Landes zu bringen. Kommunisten tummeln sich in Spilt genauso wie Anhänger Mussolinis und ein deutsches Filmteam, dem niemand so recht über den Weg traut. Und in all diesem Trubel wird eine Leiche gefunden.

Mario Bulat hat nun die Aufgabe den Mordfall aufzuklären. Nicht leicht, wenn jeder in erster Linie seine eigenen Interessen im Blick hat. Dennoch ermittelt er mit absoluter Gelassenheit. Aber was soll man auch machen, wenn die städtische Gerüchteküche mehr Informationen hergibt, als eine Zeugenaussage. Die Ermittlungen stehen im Roman allerdings auch nicht im Vordergrund, sondern eher die Auswirkungen des Mordes auf die sowieso schon aufgeheizten politischen Stimmung.

Alida Bremer hat ein absolutes Händchen dafür, diese Stimmung zu beschreiben, die 1936 in Splitt geherrscht haben muss. Das gilt einmal für das Gesinnungsmischmasch in der Stadt, in dem jede Figur eine andere Meinung, einen anderen Hintergrund, eine andere politische Einstellung zu haben scheint und einmal für die absolute Schönheit der Stadt, die immer wieder hervorgehoben wird. Man bekommt beim lesen richtig Lust auf eine Reise, will selbst durch die alten Gässchen wandern, die farbenfrohen Sonnenuntergänge erleben, den Hafen mit seinen Palmen besichtigen und – am wichtigsten – all die wunderbaren Speisen probieren, die Bremer einem im Laufe des Buches ganz nebenbei schmackhaft macht.

Der Duft von sălsă, die Dächer aus zusammengeklaubten Ziegeln und die in den Fenstern zwischen trocknenden Windeln gezüchteten Basilikumpflanzen feierten das Leben, das wie die Kapernpflanzen gedieh, die aus den Ritzen der alten Mauern sprossen. S. 152

Nicht reißerisch sonder bedächtig erzählt Bremer von dieser einen Woche in Split, nach der die ganze Stadt verändert zu sein scheint. Man spürt den Umbruch und hat ein Gefühl von Aussichtslosigkeit, ist aber gleichzeitig fasziniert von Bremers wundervoller Sprache, die selbst den schlimmsten Dingen noch eine gewisse Schönheit abtrotzen kann.

Mein einziger Kritikpunkt sind die geballten Informationen zu Beginn des Romans, mit denen man sich erstmal zurechtfinden muss. Je länger man liest, desto größer wird allerdings der Lesesog. Insgesamt fand ich es sehr spannend, die Zeit nach der Machtergreifung Hitlers mal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Ich habe viel gelernt und Bremers Sprache absolut genossen.

"Träume und Kulissen" ist eine liebevolle wie anspruchsvolle Ode an die dalmatischische Küste. Ein besonderes Buch, das von einer besonderen Zeit berichtet.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. August 2021 um 22:03

Dann hat der Roman voll deinen Erwartungen entsprochen. Wunderbar!

katzenminze kommentierte am 29. August 2021 um 22:35

Sprachlich war es sogar besser als erwartet! Aber ich bin trotzdem noch bockig wegen dem Buchpreis. ;)

wandagreen kommentierte am 29. August 2021 um 22:52

Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod.