Rezension

tief und schockierend ehrlich

So bin ich nicht
von Anneliese Mackintosh

Bewertet mit 4 Sternen

Anneliese Mackintosh überwältigt. Nicht nur durch die schockierende Ehrlichkeit, sondern auch durch ihre sprachliche Bandbreite.

Greta gewährt in ihren Geschichten tiefe und schockierend ehrliche Einblicke in das Leben einer jungen Frau, die mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen hat. Das wirkt derartig intim und authentisch, die Erfahrungen und Gefühle solchermaßen überzeugend, dass sich die Vermutung eines autobiografischen Hintergrunds einstellt.

„1. 68 % sind wirklich passiert.

 2. 32 % sind es nicht.

 3. Ich werde es nie verraten.“

Es ist Anneliese Mackintoshs gutes Recht, dieses Geheimnis zu hüten. Denn für den Leser spielt es keine Rolle. Wichtig ist der Eindruck, dass hier aus innerem Druck heraus auf aktuelle Situationen bezogen und deshalb notwendigerweise Begebenheiten aufgezeichnet wurden.

Konfrontiert mit allem, was zur Sprache kommt, dem Alkoholproblem, der Promiskuität, der Bindungsstörung, den Selbstverletzungen, der Trauer, den Lebensdefiziten und Selbstzweifeln, sperrt man Augen und Ohren auf, auch das Herz, um dies alles aufnehmen zu können.

Doch ist es letztlich die Sprache selbst, die überwältigt. Die Autorin bedient sich  der ganzen Bandbreite von Möglichkeiten. Beim Lesen scheint sich der Text zu verselbständigen, als Melodie aus dem Buch herauszutreten. Gewaltsam, selbstverachtend, mit Ausdrücken um sich werfend, die manch einer für entbehrlich halten mag, zeigt Mackintosh im selben Satz, dass sie von den zarten und poetischen Tönen genau so viel versteht. Vielleicht hält sie sich in diesen Randbezirken etwas zu viel auf, teilweise ergibt sich eine inflationäre Wirkung. 

Durch lockere Assoziationen verknüpfte, scheinbar unzusammenhängende Frequenzen ergeben sich Aussagen, die anders nicht zustande kämen. Selbstironie, Witz und eine scharfsinnige, geradezu sezierende Beobachtungsgabe benutzen gleichermaßen Beiläufigkeiten wie tief verletzende Erlebnisse, um auf der Suche nach dem Ich einen weiteren Mantel abzulegen.  

Das ist keine leichte Kost. Die Geschichten berühren, verstören und faszinieren. Dort, wo man etwas von sich selbst wiederfindet, umso mehr.