Rezension

tiefsinnige Geschichte mit einer eigenwilligen Protagonistin

Zweisiedler
von Patricia Holland Moritz

Bewertet mit 5 Sternen

"Zweisiedler" ist ein Buch, das mit leisen Tönen fesselt und beeindrucken kann. Es beginnt als wunderschöne Geschichte über die verträumte, ein wenig weltfremde und naive Edna, die abseits von Paris in dem kleinen Ort Pesiotte lebt. Auch im Ort lebt sie abseits hinter einem Hügel, neben ihr liegt nur noch das Haus ihres kauzigen Nachbarn Thierry. Umgeben von der Natur, Feldern und Wald lebt Edna in ihrer eigenen kleinen Welt, mehr in der Vergangenheit als der Gegenwart. Sie kümmert sich um ihre Tiere und lebt friedlich in ihrer kleinen ländlichen Idylle, pflegt ihren Garten, ihre Tiere und ihre Malerei. Kontakt zu anderen Menschen hat sie kaum, der Barbesitzer Gilles ist ihr einziger Freund. Sie lebt zwar seit Jahren neben Thierry, hatte aber nie persönlichen Kontakt zu ihm. Edna wirkt etwas verschroben, aber liebenswert.

Diese Idylle wird jäh gestört, als der Bürgermeister sie zum Gespräch bittet:  ihr kleines Häuschen soll einem Neubauprojekt weichen. Zeitgleich taucht Paul bei ihr auf, ein 12 jähriger Junge, der sich als ihr Sohn ausgibt. Wie eine Zecke nistet er sich bei ihr ein, Edna wird ihn nicht los. Ab hier beginnt die verträumte Stimmung ganz langsam zu kippen, es entwickelt sich eine unterschwellige Bedrohlichkeit. Als dann auch noch der Architekt Carpe verschwindet, in den Edna sich verliebt hat,  wird sie zur Hauptverdächtigen.

Anhand des Klappentextes war ich mir nicht sicher, was für eine Geschichte mich erwartet, doch schon nach den ersten Seite hatte die Autorin mich gepackt. Der Charme des französischen Landlebens mit schrulligen und einmaligen Charakteren ist auf jeder Seite zu spüren. Die Figuren sind herrlich skurril, die Bäckersfrau, der Bürgermeister, der Polizist und Thierry.

Edna ist eine einmalige Protagonistin, liebenswert und doch so weltfremd, dass man sie am liebsten an die Hand nehmen und ihr etwas vom modernen Leben erklären möchte. Z. B. das Wunder von Bahnhöfen und Handys. Doch Edna ist nicht auf den Mund gefallen, sie trägt ihr Herz auf der Zunge und sagt was sie denkt.

Wunderschön ist die Idylle in der französischen Provinz beschrieben, doch ganz besonders hat mich der Wechsel von der locker leichten Geschichte zu einer mysteriösen, bedrohlichen Handlung gepackt. Ich war gefesselt, konnte nicht mehr aufhören zu lesen, musste wissen wie es weiter geht. Eine in sich stimmige Geschichte mit einem Ende, das noch viel Raum für Spekulationen lässt.

Eine Geschichte wie sie das Leben schreiben könnte über  dunkle Geheimnisse in der Vergangenheit die gut gehütet werden, über Freundschaft und den Mut zu Veränderung.

Fazit: "Zweisidler" ist eine feine, tiefsinnige Geschichte mit einer eigenwilligen Protagonistin. Wunderbar erzählt. Bitte mehr davon!