Rezension

Tod und Schmerz und Lug und Trug und Dreck

Vom Himmel die Sterne -

Vom Himmel die Sterne
von Jeannette Walls

Bewertet mit 4 Sternen

Der neue Roman von Jeannette Walls ist zugleich eine Familiengeschichte und das Porträt der Familie Kincaid in Claiborne County im ländlichen Virginia in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. An der Spitze steht der mächtige Duke Kincaid, von allen nur der Duke genannt. Es ist die Zeit der Prohibition, als durch den 18. Zusatzartikel zur Verfassung die Herstellung, der Verkauf und der Transport von Alkohol verboten ist. Die Regierung hat jedoch keine Möglichkeit, die Befolgung dieses Gesetzes auch durchzusetzen. So gibt es vor allem in den auf dem Land überall illegale Schnapsbrennereien, und die verarmte Mittel- und Unterschicht hält sich mit dem verbotenen Handel über Wasser. Auch der Duke hat seinen Reichtum u.a. auf diese Weise erworben. 
Die Familiengeschichte der Kincaids ist in dieser Generation besonders kompliziert, denn der Duke ist viermal verheiratet und hat mehrere Kinder aus diesen Beziehungen. Sallie, die Tochter aus seiner zweiten Ehe, wird von ihrer Stiefmutter zu ihrer Tante Faye, einer Schwester ihrer früh unter zunächst ungeklärten Umständen verstorbenen Mutter geschickt, nachdem sie den kleinen Bruder in Gefahr gebracht hat. Sie lebt neun Jahre in äußerster Armut bei der Tante, bis sie zur Betreuung des Bruders zurückkommen darf. Sie kämpft von da an mit Mut und Stärke um ihre Position in der Familie. 
Die gesellschaftliche Stellung von Frauen und ihre fehlende Wertschätzung sind eines der zentralen Themen des Romans. Daneben geht es um die wirtschaftlichen Spätfolgen des Krieges, Korruption und Bandenkriege. Sallie macht schlechte Erfahrungen mit den Männern, nicht nur mit ihrem Vater. Sie kann niemandem vertrauen und ist in ihrem Kampf weitgehend allein. “Der Tod scheint überall zu sein. Tod und Schmerz und Lug und Trug und Dreck.“ (S. 425) Im Lauf der Zeit kommen immer mehr Familiengeheimnisse ans Licht – vor allem über Mutter und Vater und die Tante.
Ich habe den Roman gern gelesen, obwohl es nicht ganz einfach ist, den Überblick über die weitverzweigte Familie zu behalten. Dennoch bleibt für mich “Schloss aus Glas“ das beste Buch der Autorin.