Rezension

Toller Klassiker, dem die Verfilmungen alle nicht gerecht werden

Der Glöckner von Notre-Dame - Victor Hugo

Der Glöckner von Notre-Dame
von Victor Hugo

Bewertet mit 4 Sternen

Ein wirklicher Klassiker und eine eindeutige Liebeserklärung an Paris und natürlich an Notre-Dame

Victor Hugo hat in diesem Roman eine Hommage an Paris, aber vor allem an die Kathedrale Notre-Dame geschrieben. Die ersten Kapitel sind voll mit detaillierten Beschreibungen der Kathedrale oder von Paris aus verschiedenen Perspektiven und oft im Vergleich seiner Zeit zu dem Paris so im 15. bzw. 16. Jahrhundert. Auch wenn mir diese Ausführungen teiweise sehr langatmig vorkamen, muss ich doch sagen, dass ich die Beobachtungsgabe und die detaillierte Recherche von Hugo sehr bewundere. Da ich zum Glück schon mal in Paris war und natürlich auch Notre-Dame besichtigt habe, konnte ich dank seiner Beschreibungen Paris und die Kathedrale sehr gut vor meinem inneren Auge sehen und fand einige der Details, die er geliefert hat, sehr faszinierend.
Auch sein bereits erwähnter Exkurs über den Vergleich von Baukunst zum Buchdruck, fand ich sehr spannend zu lesen und ein Gedankengang, der mir so noch nie in den Sinn gekommen ist, aber sehr interessant ist, um weiter darüber zu grübeln.

"Grübeln" ist insgesamt ein Ausdruck, der für mich gut auf den Roman passt: Man kommt ins grübeln über Veränderungen, die mit Paris im Laufe der Jahre geschehen und natürlich kommt man ins Grübeln über die Protagonisten, die alle doch nur ein bisschen Glück wollen, aber denen dies leider nicht vergönnt ist.
Die einzelnen Charaktere werden nach und nach eingeführt und Hugo webt schließlich ein schicksalhaftes Netz über sie alle, durch das sie alle verbunden sind und das ihnen fast allen am Ende zum Verhängnis wird. Man liest da von verzehrender an den Wahnsinn grenzender Liebe, Hass und Eifersucht, aber auch von aufoperungsvoller Liebe und Einfühlungsvermögen. Dabei werden teilweise auch sehr gut die Gegensätze zwischen äußerem Schein und tatsächlichem Sein dargestellt und auch aufgezeigt, dass leider doch immer noch das Äußere den Menschen viel mehr bestimmt, als sein tatsächliches Innenleben.

Ich muss gestehen, von allen vorkommenen Charakteren, war dann am Ende aber doch Quasimodo derjenige, der mir am liebsten war und mit dem ich am meisten mitgelitten habe.
Esmeralda ist zwar ein liebes Mädchen, aber leider viel zu naiv, wo ich das bei einer Zigeunerin schon fraglich empfinde.
Phoebus ein selbstverliebter Knilch, der nur an sich selber denkt. Das Gleiche gilt für Jean Frollo. Außer Wein und Weiber hat er wirklich nichts im Kopf. Claude Frollo ist zum einen eine sehr bemitleidenswerte Seele, leider schafft er es nicht sich aus seinen eigenen Hölle zu befreien und bringt nur Unglück über alle Menschen, die er eigentlich liebt.
Der Dichter Gringoire war mir zu Beginn auch noch sehr sympathisch, jedoch wandelte sich diese Sympathie im Laufe des Buches in komplette Abneigung: Gringoire lebt wohl eher nach dem Spruch: "Jeder ist sich selbst der Nächste!"
Da ist somit nur noch Quasimodo: Und ja, er ist hässlich, jedoch ist das das Schöne an einem Buch. Man liest zwar über die Hässlichkeit, jedoch durch seine Taten gewinnt er in meinem Kopf und wird immer angenehmer anzusehen! Ihn fand ich die sympathischste und auch tragischste Figur in dem ganzen Buch.

Ich gestehe, dass ich sowohl die Verfilmung von Walt Disney, als auch die Verfilmung mit Anthony Quinn gesehen habe und die Verfilmungen habe beide sehr wenig mit dem Buch zu tun. Walt Disney wollte einen Kinderfilm machen, was ihm auch gelungen ist, aber das Buch ist kein Kinderbuch. Es hat kein Happy End und schon gar nicht stellt der Glöckner die Hauptfigur dar, sondern die Hauptdarstellerin des Buches ist eindeutig die Kathedrale Notre-Dame von Paris.

Insgesamt bin ich sehr froh darüber, dass ich das Buch endlich gelesen habe und trotz einiger sehr abschweifenden Beschreibungen von Hugo, hat es mir auch sehr gut gefallen! Ein wirklicher Klassiker und eine eindeutige Liebeserklärung an Paris und natürlich an Notre-Dame!