Rezension

Trotz Austerbens, leben voller Mut, Herz und Unvernunft

Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt - C. A. Fletcher

Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt
von C. A. Fletcher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine spannende Dystopie, die von einem gefährlichen Verfolgung in einer endvölkerten Welt erzählt und aus der eine Reise zur Menschlichkeit wird.

Ich liebe Dystopien, besonders wenn die Protagonisten Kinder oder Jugendliche sind, die sich mit viel Mut und Ehrlichkeit ihrem Schicksal stellen und über sich hinauswachsen. Dieses Buch hat alles, um diesen Wunsch zu erfüllen.

Und doch hat es bei Griz' Geschichte etwas gedauert, bis mich die Erzählung völlig vereinnahmt hat. Das liegt hauptsächlich an der etwas ungewöhnlichen Erzählweise. Griz schreibt die Geschichte im Rückblick für einen unbekannten Jungen nieder, dessen Foto der einzige Vertraute auf der Reise ist. Griz wirkt durch diese Konstruktion sehr weit entfernt und lässt mich erst nach ungefähr eine Viertel näher heran.

Griz lebt mit der Familie und den Hunden zurückgezogen auf einer kleinen Insel vor dem britischen Festland. Die Menschheit stirbt aus und die wenigen Menschen, die jetzt noch leben sind Selbstversorger und leben weit verstreut. Als ein Fremder auf der Insel auftaucht und in der Nacht die Hündin Jess entführt, bricht Griz mit dem Terrier Jip zur Verfolgung auf - ohne einen Moment des Zögerns. Ein Hund ist ein Familienmitglied, da gibt es nichts zu überlegen. Griz' Verfolgung entpuppt sich als ein lebensgefährliches Abenteuer in einer verlassenen Welt, in der die seltene Begegnungen mit anderen Menschen genauso eine Gefahr darstellen wie Wildtiere oder Unfälle, in dem unwegsamen Gelände.

Das Buch liest sich anfänglich wie Tagebucheinträge und enthält im ersten Teil viele Erklärungen über die Veränderung der Welt in den letzten Jahrzehnten und die Lebensweise der Überlebenden. Mehr und mehr nehme ich den Platz des Zuhörers ein und Griz Worte über das frühere Leben und die Menschheit sind direkt an mich gerichtet. Das ändert sich aber völlig, als die Reise beginnt und Griz sich den Gefahren und dem unbekannten Terrain auf dem Festland stellen muss. Ich vergesse völlig, dass ich doch nur zuhöre, und fiebere mit Griz, für den jeder Tag ein Überlebenskampf sein kann. Der unbändige Wunsch die Hündin zu befreien, treibt Griz voran – so unvernünftig das Vorgehen auch manches Mal erscheinen mag, so sehr nimmt mich dieser Drang, alles zu einem guten Ende bringen zu wollen, ein.

Seite für Seite verschmelze ich mit Griz' Blicken auf das Leben, auf die Leere der Welt, die Schönheit der Natur, die Liebe zu Büchern, dem Willen Geheimnisse zu lüften und dem Wunsch nach Wahrheit. Die gefährliche Verfolgung wird zu einer Reise zu den Grundlagen des Menschseins und bleibt trotzdem ein spannendes Abenteuer.

Die Momente der Sicherheit und der größten Gefahr wechseln sich in kurzen Abständen ab und auf den letzten 100 Seiten nimmt die Erzählung so eine überraschende Wendung, dass ich völlig geplättet bin. Niemals hätte ich gedacht, welches Geheimnis Griz vor der Welt verborgen hält, und mein Blick auf die Geschichte und ihre Wahrheiten hat sich noch einmal völlig verändert.

Ein Buch, mit dem man wunderbar der Realität entkommen kann, um ein Abenteuer zu erleben und sich dem Mensch-Sein bewusst zu werden.