Rezension

Trotz einiger Längen wegen besonders detaillierten Schilderungen ein packender Fall

Des Kummers Nacht -

Des Kummers Nacht
von Ralph Knobelsdorf

Bewertet mit 4 Sternen

»Eine tote Österreicherin, ein verschwundener Österreicher. Das ist vermutlich der Beginn eines diplomatischen Albtraums.«

Berlin, 1855. Wilhelm von der Heyden, Sohn aus gutem Hause, hat gerade sein Jura-Studium abgeschlossen und sollte nun anfangen, die für Männer seines Standes vorgesehene Karriereleiter zu erklimmen. Doch der Direktor der Kriminalpolizei, bekannt mit der Familie und begeistert von Wilhelms ungewöhnlich hoher Beobachtungsgabe, umwirbt den jungen Mann. Schließlich werden gute Leute für die noch neue preußische Ermittlungsbehörde dringend benötigt!

Als Wilhelm zufällig Zeuge eines Anschlags wird, bei dem eine junge Frau getötet wird, schließt er sich zur Probe den Ermittlungen an und steckt schon bald bis zum Hals in einem äußerst kniffligen und delikaten Fall, der bis in höchste Kreise führt…

 

Bei diesem Krimi reizte mich besonders der zeitgeschichtliche Hintergrund. Dieser wird auch sehr gelungen dargestellt, detailliert formt sich beim Lesen ein Bild der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der damaligen Zeit. Auch alle Infos, die sich mit dem Polizeiwesen befassen, wie z.B. Struktur, Aufgaben und Vorgehensweisen, fand ich hochinteressant. Von Zeit zu Zeit jedoch lässt der Autor diesem Umfeld der Handlung ein wenig zu viel Raum, was für die rein historische Vorstellung gut ist, den Krimi aber ausbremst. Im Anhang finden sich diverse (ebenfalls hochinteressante) Ausführungen zu all diesen Hintergründen sowie zu realen und fiktiven Personen im Buch. Hier hätte man vielleicht noch das ein oder andere aus dem Haupttext ergänzen können, um diesen im Gegenzug etwas zu straffen.

 

Die Spannung leidet also zeitweise, was bedauerlich ist, da die Handlung mit all ihren Verstrickungen viel Spannungspotential hat. Sie wirkt auch realistisch, ich kann mir gut vorstellen, dass Dinge in dieser Art ablaufen könnten oder womöglich sogar abgelaufen sind. Wer weiß das schon? Auch der Fall hier lässt ahnen, dass nicht alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können.

 

In der Nebenhandlung muss sich Wilhelm mit einem gravierenden familiären Problem auseinandersetzen, dabei hilft ihm sein neuer Beruf. Außerdem leidet er unter einem Trauma, das sich in nächtlichen Albträumen auswirkt und das vermutlich auf einem verdrängten Kindheitserlebnis beruht. Ich hoffe, mehr dazu im nächsten Band zu erfahren.

 

Ein Punkt hat mich allerdings gestört, oder vielleicht besser, beschäftigt. Der Krimi spielt 1855. Laut Wilhelms Vita, gleich zu Beginn des Buchs, wurde er im Sommer 1935 geboren, ist also zum Zeitpunkt der Handlung gerade einmal 20 Jahre alt. Soll aber bereits einen einjährigen Freiwilligendienst in einem Infanterieregiment absolviert, es zum Leutnant der Landwehr gebracht und ein Jurastudium erfolgreich mit Examen abgeschlossen haben. Ich glaube ja gerne, dass er sehr talentiert ist, aber das alles vor Abschluss des 20. Lebensjahres erscheint mir zweifelhaft.

 

Fazit: Trotz einiger Längen wegen besonders detaillierten Schilderungen ein packender Fall.