Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Typisch Amerika? Oder universal?

Hart auf hart
von T. C. Boyle

Adam hat ein großes Vorbild: Wie der legendäre Waldläufer John Colter will er hart sein, unabhängig leben und allen seinen Feinden ein Schnippchen schlagen. Doch wie kann man das zweihundert Jahre später? Adam lebt als Aussteiger im Haus seiner verstorbenen Großmutter, er baut heimlich Mohn an und stellt Opium her, er beschafft sich Waffen. Und Feinde gibt es viele: Von seinen Eltern, die dieses Leben nicht verstehen, über die Chinesen und Mexikaner bis hin zur Polizei.  Eine einzige Beziehung nimmt er auf: Die ältere Sara kann sich auch nicht mit den Reglementierungen der staatlichen Organisationen anfreunden und findet in Adam, "Colter", einen Sexpartner. Aber ist das eine wirkliche Partnerschaft? Adam ist unberechenbar und fühlt sich ständig verfolgt. Er muss dagegen kämpfen...

Adam ist ein Außenseiter, der Hilfe braucht, aber nicht findet. Er steigert sich in seinen Verfolgungswahn und löst damit ein Fiasko aus. Er ist eindeutig psychisch krank; vermutlich leidet er unter Schizophrenie. Es ist faszinierend, wie sehr Boyle den Leser hier in Adams Welt hineinzieht. Weiterhin fand ich die Perspektive von Adams Eltern sehr interessant: Wie geht es Eltern eines erwachsenen Kindes, auf das sie keinen Einfluss haben und dessen Entwicklung sie hilflos zusehen müssen? Wie schrecklich ist es, sein eigenes Kind als Opfer zu erleben - und wie entsetzlich, wenn es zum Täter wird! Spannend finde ich auch die Frage der Grenzziehung: Adam hat eine Psychose und wird gemeingefährlich. Sara steigert sich in ihre Gegenwehr gegen das Establishment und verliert oft die Realität aus den Augen, kann sich aber immer noch fangen und Kompromisse eingehen. Sten, Adams Vater, erlebt auch bei sich Situationen, in denen er seinem Zorn nachgibt und keiner kühlen Überlegung mehr fähig ist. Die Gegenwehr bei einem Überfall endet mit einem Toten - hat auch er die Verhältnismäßigkeit nicht mehr beachten können? Die braven Bürger haben ein Feindbild, die Mexikaner, die schon verdächtig sind, wenn sie einen Großeinkauf im Supermarkt machen. Manche dieser Ängste sind berechtigt, andere nicht. Wo ist die Grenze zwischen "Normalität" und psychischer Krankheit, zwischen Vorsicht und Wahn? Wo ist der Weg, der die Freiheit des Einzelnen und die Regeln der Gesellschaft verbindet?