Rezension

Über Kälte. Und Wärme.

Als Mutter verschwand - Kyung-Sook Shin

Als Mutter verschwand
von Kyung-Sook Shin

Bewertet mit 5 Sternen

Das Leben der Schriftstellerin Chi-Hon und ihres Bruders Hyong-Chol gerät aus den Fugen, als ihrem Vater im dichtesten Gedränge der U-Bahn in Seoul die Mutter verloren geht. Fieberhaft beginnen die Geschwister mit der Suche. Flugblätter werden gedruckt; weder Polizei noch Mitbürger erweisen sich als besonders hilfreich. Nur hin und wieder meldet sich jemand, der eine mysteriöse Frau in blauen Sandalen gesehen hat. Dabei wird den Familienangehörigen immer klarer, dass sie ihre Mutter, die sich stets hingebungsvoll für die Familie aufgeopfert hat, kaum richtig kannten, ihre selbstlose Liebe stets als selbstverständlich hingenommen haben. Wer war diese Frau? Und was hat sie durchgemacht? Hatte sie ein schönes Leben? Fragen, die unendlich wehtun. Und denen sich die Familienangehörigen allmählich zu stellen wagen.

Ungewöhnlich, für unsere Ohren: Die Ich-Erzählerin erzählt nicht in der Ich-, sondern in der Du-Form ... das ist in unserer Sprache gewöhnungsbedürftig, aber mal etwas Anderes. Dachte ich. Dann aber gewinnt diese Erzählweise gegen Mitte der Geschichte eine völlig neue Dimension. Das ist schlichtweg genial.

Das Buch endet sehr bewegend, wenn auch in meinen Augen etwas fragwürdig. Es ist ein sehr intensives Buch. Ein Buch über Kälte. Und Über Wärme. Über die Kälte, die die Selbstlosigkeit ausnutzt, aber verachtet. Und über die Wärme, die kommt und bleibt, selbst wenn es zu spät ist. Über Schuld. Und über Menschen, die trotz allem liebenswerte Menschen bleiben.

Abgrundtief traurig. Und wunderschön.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 27. August 2018 um 22:39

Das Arbutili liest wie immer - seltsamschöne Büchers.

Arbutus kommentierte am 28. August 2018 um 22:13

Das hat das Wandagrün aber hübsch gesagt.