Rezension

Über weite Strecken leider sehr zäh und wirr, aber mit fulminantem Ende. Snoekstra hat eindeutig Potenzial, muss es nur noch richtig nutzen.

Geschürte Angst - Anna Snoekstra

Geschürte Angst
von Anna Snoekstra

Bewertet mit 3 Sternen

Karriere um jeden Preis?

Bei Anna Snoekstras „Geschürte Angst“ handelt es sich um einen Thriller, der im September 2018 bei HarperCollins als E-Book erscheint.

In Colmstock, einer heruntergekommenen und von Arbeits- und Hoffnungslosigkeit geprägten Stadt, macht sich die Angst breit. Nicht nur, dass es immer wieder von Brandstiftungen heimgesucht wird, die auch schon ein Todesopfer gefordert haben, nun finden Anwohner auch noch Porzellanpuppen vor ihrer Haustür, die ihren jüngsten Töchtern bis aufs Haar gleichen. Während die Polizei im Dunkeln tappt, wittert die angehende Journalistin Rose ihre große Chance: Mit einer Zeitungsartikelreihe zu diesen jüngsten Ereignissen hofft sie, dieser Tristesse zu entkommen. Doch sie ahnt noch nicht, was für eine Lawine sie mit ihren Berichten lostritt.

Der Prolog, in dem der Brand eines Gebäudes geschildert wird, wirft schon einige Fragen auf: Wer ist für den Brand verantwortlich? Wer ist umgekommen? In dem sich anschließenden Einstieg in den eigentlichen Handlungsstrang, in dem Handlungsort und Hauptcharaktere eingeführt werden, gelingt es Snoekstra aber leider nicht, den im Prolog aufgebauten Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Zwar beschreibt sie sehr eindrücklich die Trostlosigkeit des ehemaligen Arbeiterstädtchens Colmstock und die Hoffnungslosigkeit seiner Bewohner, sodass der Leser sogleich in deren Atmosphäre hineingezogen wird, aber von Spannung ist über lange Strecken nichts zu spüren. Selbst die erste Begegnung mit den ominösen Porzellanpüppchen wird eher im Nebenbei erwähnt. Dieses ist ein Phänomen, dem man in diesem Roman immer wieder begegnet: Dramatische Ereignisse werden erwähnt und auch gut beschrieben, verpuffen aber nach kurzer Zeit wieder oder werden von nebensächlichen Erzählsträngen überdeckt. Teilweise springt die Verfasserin zudem sehr schnell von Begebenheit zu Begebenheit und von Perspektive zu Perspektive, was es schwierig macht, eine Stringenz im Handlungsverlauf zu erkennen. Erst auf den letzten 100 Seiten gelingt es ihr, an Rasanz und Spannung zuzulegen, die schließlich in eine fulminanten Finale enden, wenngleich auch von fehlender Logik begleitet. Meiner Meinung nach reicht das nicht, um die Defizite der ersten Romanhälfte wettzumachen.

Die Charaktere in dieser Erzählung sind vielschichtig gestaltet, wobei man aus Rose am Ende nicht wirklich schlau wird, ob sie aus den Ereignissen wirklich etwas gelernt hat oder nicht. Aber letztlich wird es für sie das Wichtigste sein, dass sie ihre Träume nun verwirklichen kann. Einzig Sergeant Frank präsentiert sich von Anfang bis Ende als egoistischer und narzisstischer Charakter, der seine verdiente „Strafe“ bekommt.

Der Titel des Buches, und das gefällt mir, wird schon recht früh ersichtlich: Zu Beginn des zweiten Romanteils spürt der Leser, wie sich Dank Roses Artikel nach und nach eine Atmosphäre von Sensationsgier und Angst in der Bevölkerung ausbreitet. Diese Entwicklung zieht sich auch durch den gesamten Thriller hindurch.

Neben dem eigentlichen Mysterium, der Frage, wer der Verantwortliche für den Porzellanpuppenfall ist, wird in diesem Roman beispielhaft und glaubwürdig dargestellt, wie es der Presse bzw. den Medien möglich ist, die Stimmung in der Bevölkerung zu manipulieren, indem die anfänglich nicht ernst genommenen Vorfälle allmählich zu dramatischen und brutalen  Reaktionen führen. Auch welche Rolle die Presse eigentlich in unserer heutigen Gesellschaft spielt, wird kritisch hinterfragt: von Wahrheitsfindung – so es denn eine objektive Wahrheit gibt – weit und breit keine Spur. Weiter wird anhand von Roses Beispiel demonstriert, wie weit ein Mensch zu gehen vermag, um seinem dürftigen Dasein zu entfliehen und Karriere zu machen.

Snoekstra bedient sich einer einfachen, leicht zu lesenden Sprache, die dem Leser keinerlei Schwierigkeiten bereitet, den Roman flüssig zu lesen. Leider fehlt es aber auf der anderen Seite an sprachlichen Glanzlichtern, die den anspruchsvolleren Leser befriedigen könnten.

Das Cover des Buches spiegelt den Inhalt des Buches und vor allem die Trostlosigkeit des Handlungsortes wider: Eine einsame Straße für im mit Wolken durchwobenen Abendrot ins Nirgendwo.

Insgesamt ist „Geschürte Angst“ ein Buch, das die Bezeichnung „Thriller“ meiner Meinung nach nicht verdient, da es einfach keinen durchgehenden Spannungsbogen enthält. Mir persönlich fehlte beim Lesen einfach der „Flow“. Es ist schade, dass es Snoekstra – trotz vieler guter und lesenswerter Passagen – nicht geschafft hat, einen Thriller zu verfassen, der sich durchweg flüssig und spannend lesen lässt. Dass sie das Potenzial dazu hat, hat sie an vielen Stellen bewiesen. Es war nett, dieses Buch zu lesen, auch zwischen den Zeilen gesellschaftskritische Impulse zu erhalten, doch von einem wirklich guten Thriller erwarte ich dann doch mehr.