Ungewöhnlich, dramatisch, unterhaltsam

Das Wunder
von Emma Donoghue

Bewertet mit 4 Sternen

Wer ungewöhnliche historische Romane mag, ist hier bestens aufgehoben, dieses Buch ist anders. 

Lib Wright ist Krankenschwester mit Prädikat, sie ist eine Nightingale, eine von den Schwestern, die mit der berühmten Florence Nightingale im Krimkrieg waren. Sie ist kompetent, vernünftig und effektiv und deshalb wird ihr ein ganz außergewöhnlicher Auftrag angetragen. 
Da ist ein Mädchen, dass ein Wunderkind zu sein scheint und es schon zu lokaler Berühmtheit gebracht hat. Die kleine Anna ist elf Jahre alt, hat seit 4 Monaten nichts mehr gegessen und lebt noch immer, durch göttliche Gnade, wie sie behauptet. Ist sie eine Betrügerin oder eine potenzielle Heilige? Lib soll zwei Wochen lang beobachten, ob Anna tatsächlich nichts isst. 
Eine originelle Situation, die Lib zunächst mit kriminalistischem Eifer angeht, bis sie in eine moralische Zwickmühle gerät. 
Glauben wir an Wunder, wenn wir sie sehen oder suchen wir den doppelten Boden? Respektieren wir religiös motivierte Schrullen und wenn ja, wie lange? Greifen wir ein, wenn es lebensgefährlich wird und ab wann mag es lebensgefährlich sein? Besteht die Möglichkeit, dass tiefer Glaube einen Menschen zu Außergewöhnlichem befähigt? 

Mit diesen Fragen muss sich Lib auseinandersetzen und wird dabei von unterschiedlichen Seiten unter Druck gesetzt. Die Kirche, die Presse, die Eltern und die Gemeindevorsteher eines Ortes, der gerade zum Wallfahrtsort wird, alle haben ganz eigene Interessen und sehen, was sie sehen wollen. 

Einfühlsam erzählt Emma Donoghue die Geschichte eines „Fastenmädchens“, wie sie über die Jahrhunderte immer wieder mal auftauchen. Sehr plastisch beschreibt sie eine skurrile Situation, die dann zum Drama wird. Es dauert lange, bis hier Dinge in Bewegung geraten, aber das Warten lohnt sich. 
Ein ungewöhnliches Buch zu einem ungewöhnlichen Thema, das unterhält und mitnimmt.