Rezension

Ungewöhnliches Thema und flüssige, interessante Umsetzung.

Das vermisste Mädchen - Bettina Lausen

Das vermisste Mädchen
von Bettina Lausen

Wo sind die Wurzeln deiner Angst?

Hier sollte also Helena Briests Neustart beginnen, in der gerade erst angemieteten Detektei im siebzehnhundertunddreißig erbauten, denkmalgeschützten Gebäude  des Mendener Museums. Aus dem quirligen Düsseldorf in das beschauliche Sauerlandstädtchen gekommen, erwartete Helena doch ein wenig mehr Gemächlichkeit, als ihr beim Betreten des Hauses entgegenschlug. Zwei Polizeiwagen hatten schon vor der Haustür geparkt und drinnen herrschte ein lebhaftes Stimmengewirr, in dem sich deutsche und afrikanische Worte in lautstarker Symphonie  miteinander vermischten. Es ging darum, dass die siebenjährige Tshala Kiwanika als vermisst gemeldet wurde, weil sie nach der Schule nicht wieder nachhause zurückgekommen war. Das war nun augenscheinlich Sache der Polizei, was ging sie die Anzeige der Eltern an, um die sich Volker Nienstedt von der Kripo zu kümmern hatte. Und doch spürte Helena ein seltsam beunruhigendes Gefühl in sich, sandte ihr das Unterbewusstsein Signale, die mit diesem kleinen Mädchen zu tun hatten. Kam es nur daher, dass sie das fröhlich lachende Gesicht nicht vergessen konnte, mit dem die Kleine ihr vor wenigen Tagen im Hausflur ein selbstgemaltes Bild geschenkt hatte? Dass sie es einfach nicht ertragen konnte, dass dieses Gesicht jetzt von Angst und Schmerzen verzerrt in einem dunklen Verließ  einer geschlossenen Tür zugewandt war, durch die der Entführer eintreten würde? Oder gab es noch etwas Anderes, an das eine Erinnerung ausgelöst wurde? Sie musste diesen zitternden, hilflosen Körper retten, auch wenn sie allein auf sich selbst gestellt war.

Hilfe erhielt sie weder von Kommissar Volker Nienstedt noch von Upenyu Kiwanaki und dessen Famlie, obwohl sie in seinem Namen Ermittlungen aufnehmen musste. So blieben nur ihre eigenen Recherchen und die Hoffnung, dass Tshala dem Schicksal entgehen möge, das vor wenigen Tagen die achtjährige Celina ereilt hatte, die man, von einem bisher unbekannter Täter missbraucht, mit durchschnittener Kehle in Garbeck gefunden hatte, in einem kleinen Ort der nur 20 Kilometer von Menden entfernt liegt. In ihrer Sorge um die kleine Afrikanerin merkte Helena allerdings nicht, dass sie  auch Gefahr für ihr eigenes Leben heraufbeschwor.

 Bettina Lausen hat hier einen interessanten Kriminalroman geschrieben, der sowohl im Thema als auch in der Gestaltung aus dem üblichen Genre herausfällt.

Der afrikanische Hintergrund des kleinen Mädchens bringt zahlreiche wissenswerte Aspekte über fremde Länder, Menschen und Gebräuche mit ins Spiel, die gut recherchiert, auf geschickte Art und Weise dazu genutzt werden, den Spannungsfaktor zu erhöhen und den Leser über lange Strecken im Unklaren zu lassen.

Die Geschichte ist glaubhaft, die Protagonisten sind detailliert beschrieben und treten absolut authentisch auf. Sollte es den Leser verwundern, wie eigensinnig - trotz gehäufter Schwierigkeiten - die junge Detektivin Helena versucht, die Entführung des Kindes zu entschlüsseln, so kommen im Laufe der flüssig erzählten Geschichte plausible Erklärungen für erstaunliche Verhaltenweisen.

Bettina Lausen mit ihrer jungen, sehr unerschrockenen Detektivin Helena Briest hat mit diesem Roman eine beachtenswerte Debütvorstellung gegeben, die man ohne Weiteres als "Sauerländische Spezialität" auf die literarische Speisekarte setzen kann. Ein empfehlenswerter, unterhaltsamer Lesegenuss.