Rezension

Unterhaltsame Gruseljagd in New Fiddleham - bitte schnell Band 2 übersetzen!

JACKABY - William Ritter

JACKABY
von William Ritter

Fans von "Lockwood & co" werden sich 'in' Jackaby wie zuhause fühlen.

Um Londons Geisterplage kümmern sich seit einigen Jahren erfolgreich die Ermittler der Detektivagentur „Lockwood & co“. Nun geht es auch im erfundenen Städtchen New Fiddleham dem paranormalen Mob an den Kragen: Mit "Jackaby" erscheint quasi das amerikanische Pendant der Serie: Ein exzentrischer Detektiv, eine eigensinnige Assistentin, eine Portion trockener Humor und jede Menge Geisterwesen ... gewollt oder nicht gewollt, das Debüt von William Ritter weist etliche Parallelen zu der zwei Jahre älteren britischen Reihe auf und muss sich einen Vergleich wohl oder übel gefallen lassen. Vor allem von mir, denn als Lockwood-Fan der ersten Stunde bin ich überkritisch an die Geschichte herangegangen. Da will es jemand mit dem genialen Jonathan Stroud aufnehmen? Wenn sich da einer die Messlatte mal nicht zu hoch gelegt hat …
… habe ich gedacht!
Und wurde sehr gerne eines Besseren belehrt!
William Ritter bedient sich zwar einiger Grundzutaten der Lockwood-Reihe, spinnt jedoch eine eigene (teilweise noch nicht ganz ausgereifte) aber doch spannende und durchdachte Geschichte.

Alles beginnt 1892 mit der Ankunft der jungen Abigail Rook in New Fiddleham. Der Schule, der Erwartungen ihres Elternhauses und ganz generell der wenig erbaulichen Aussichten für Damen damaliger Zeit überdrüssig, ist Abigail auf der Suche nach Abenteuern und reist per Schiff über Europa in die USA. Frisch von Bord, mittellos und müde stößt sie auf die Stellenanzeige einer Detektei für Ungeklärtes und Ungewöhnliches. Diese besteht aus exakt einer Person: dem verschrobenen R.F. Jackaby, der die Begabung hat Geisterwesen aufzuspüren. Wie es der Zufall will, ist dieser gerade auf dem Weg zu einem Tatort. Abigail kann nun beweisen, dass sie für die Assistenten-Stelle trotz Jackabys Skepsis geeignet ist, und befindet sich schnell in mehr Abenteuer, als sie je für möglich gehalten hat. Denn bestenfalls geht in New Fiddleham ein Serienkiller um, schlimmstenfalls etwas sehr viel Böseres!

Trotz viel Blut und Düsterkeit schafft das Buch eine gute Balance zwischen Spannung und Leichtigkeit. Die beiden Protagonisten Abigail und Jackaby greifen trotz ihrer Divergenz oder gerade deshalb so leicht ineinander wie angrenzende Puzzleteile. Während sich Jackaby geistig meist in einer für normale Menschen kaum wahrnehmbaren, übersinnlichen Realität befindet, erfasst Abigail als Erzählerin und pragmatischer Charakter nicht nur reale Indizien, sondern vor allem die Bedeutsamkeit des scheinbar Unbedeutenden. Zusammen sind sie ein unschlagbares Team ... oder könnten es zumindest sein. Denn noch ist die Kommunikation zwischen beiden etwas holprig. Jackaby lässt in seiner Sherlock-Holmes-spezifischen Zerstreutheit kaum jemanden an seinen Erkenntnissen teilhaben. Das machte es sowohl mir als auch Abigail schwer, der Entschlüsselung des Falles zu folgen, zumal der paranormale Anteil der Geschichte teilweise schwer fassbar ist: In New Fiddleham scheinen nämlich alle Mythen der Literatur aufeinanderzutreffen. Trolle, Banshees, Gestaltwandler, Zauberbanngeplagte, Geister – die Bevölkerung des Städtchens ist bunt und schwer überschaubar; einige Wesen sind außerdem sichtbar, andere nicht oder eben nur für Jackaby. Was ist in dieser Welt möglich, was nicht? Dieser Aspekt der Geschichte war mir noch zu ungenau und der Austausch der Hauptfiguren darüber zu dürftig.

Die Geschichte kommt außerdem immer wieder einmal aus dem Tritt, weil Ritter noch zu sehr damit beschäftigt ist, Charaktere einzuführen und Hintergründe anzureißen. Dies tut er aber leider nur sehr oberflächlich, was wohl ein Grund dafür ist, warum der oder die Schuldige recht leicht erkennbar ist. In einer ausgefeilteren Protagonistenschar wäre die Auflösung sicher besser verborgen geblieben.

Sei’s drum! Mit leichten Mängeln ist "Jackaby" eine spannende, streckenweise witzige Lektüre, die nicht ganz an die Lockwood-Reihe heranreicht, ihr aber erfreulich nahekommt, ohne ein lauer Abklatsch zu sein. Ich freue mich schon jetzt auf die Fortsetzungen (bislang sind drei Bände im englischsprachigen Raum erschienen) und bin gespannt, ob Ritter die Reihe überzeugend vertiefen kann.