Rezension

Unterhaltsamer Auftakt der Lemberg-Saga

Böhmische Hoffnung -

Böhmische Hoffnung
von Karin Lindberg

Bewertet mit 4 Sternen

Dezember 1937. Kaum war sie daheim, landet sie auch schon im Straßengraben. Ihren Wunsch, sich hinters Steuer zu setzten, sie beide heimwärts zu fahren, kann er ihr – trotzdem sie keinen Führerschein hat - nicht abschlagen. Alba wird von Ferdinand, ihrem Bruder, mit dem familieneigenen Automobil abgeholt und es kommt, wie es kommen muss. Nur gut, dass am Fahrzeug – bis auf einige Dreckspritzer - keinerlei Spuren sichtbar sind. Der Auftakt der historischen Lemberg-Saga beginnt rasant.  

Die Lembergs besitzen Webereien im Sudetenland. Es gilt, diese zu erhalten und damit nicht nur den Wohlstand der Familie zu sichern, auch geht es um die Arbeitsplätze der Arbeiter. Und natürlich wird es Ferdinand, der älteste Sohn, einmal sein, der seinem Vater Carl an der Firmenspitze zu gegebener Zeit nachfolgt. Sehr zum Missfallen von Alba, die sich brennend für die Firmeninterna interessiert. Ihr größter Wunsch ist es, sich in die Webereien mit einzubringen, ein Leben als höhere Tochter und später dann als Ehefrau und Mutter mit den damit verbundenen Pflichten kann sie sich nicht vorstellen. Ganz anderes ihre jüngere Schwester Charlotte, die ihre Zeit im Internat mehr schlecht als recht absolviert. Sie will mit ihren siebzehn Jahren was erleben und trickst dafür so ab und an. Bleibt noch Kilian, der eher kränkliche, jüngste Spross. Nicht zu vergessen Helene, die vermögende Mutter der Hausherrin und Carls Gemahlin Emilie.

Karin Lindberg hat ihre Saga in einer Zeit angesiedelt,  in der die Deutschen im Sudetenland zwar geduldet, aber doch nicht gern gesehen sind. Die Aufträge brechen den Lemberg-Webereien weg, damit einhergehend sind die Arbeitsplätze gefährdet. Der Unmut der Arbeiter ist spürbar, denn als Deutschstämmige haben sie wenig Hoffnung, von einer tschechischen Firma eingestellt zu werden. Auch der Judenhass ist in diesem Landstrich bereits spürbar.

Der vielschichtig angelegte erste Band führt alle hier Agierenden gut ein. Ich hege für die einen Sympathien und spüre für so manch anderen eine gar heftige Abneigung. Die Gesellschaft ist geprägt von Standesdünkel und dem vorgezeichneten Weg, den sich jeder zu unterwerfen hat. Von einer Frau wird erwartet, dass sie sich standesgemäß verheiratet, sehr zum Missfallen von Alba. Sie ist intelligent, technikaffin und verliebt sich in den falschen Mann. Daneben sind es einige Geheimnisse von mehreren Mitgliedern der Familie, die angedeutet, aber noch nicht näher ausgeführt werden.

Gerne lese ich von diesen Zeiten, vom Beginn des Nationalsozialismus und den Schicksalen drumherum.  Vom Sudetenland und den Bewohnern dieses Landstriches, in dem „Böhmische Hoffnung“ spielt, habe ich bis jetzt eher wenig gelesen. Gut finde ich, dass zur besseren Orientierung vorab eine Böhmen-Karte abgedruckt ist. Auch das Personen-Register ist anfangs hilfreich. Bald konnte ich sie alle gut zuordnen, der einnehmende Schreibstil hat ein Übriges getan. Die Lembergs mit all ihren Sorgen, ihren Geheimnissen und auch ihrer Lieben und Leidenschaften haben mich in ihr Leben gelassen, sie lassen mich nun neugierig zurück, im zweiten Buch werde ich sie alle wiedersehen.