Rezension

Viel Zeitkolorit

Die Buchhändlerin: Die Macht der Worte -

Die Buchhändlerin: Die Macht der Worte
von Ines Thorn

Bewertet mit 5 Sternen

Zu große Träume für das eigene Leben?

„Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ ist der zweite Band (1. Band: „Die Buchhändlerin“) um Christa, einer jungen Frau (1951 ist sie 22 Jahre) Anfang der 1950-er Jahre in Frankfurt. Ich hatte Christa schon durch die Nachkriegszeit begleitet und hatte dadurch keinerlei Schwierigkeiten, mich in die Geschichte einzufinden. Aber ich glaube, das Buch kann einzeln gelesen werden, denn die Autorin greift zu einem – mir bisher nicht bekannten – Stilmittel: am Anfang schreibt Christa einen „Lebenslauf“, so dass Einsteiger*innen alle wichtigen Fakten kennenlernen!

Wir verfolgen Christas Weg von 1951 – 1968: sie hat trotz aller Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit ihr Germanistik-Studium abgeschlossen und schreibt an ihrer Doktorarbeit. Sie teilt ihre (Berufs-) Zeit zwischen Promotion und der Buchhandlung ihres Onkels auf. Christas (Privat-)Leben ist für die damalige Zeit höchst ungewöhnlich: um den 14-jährigen Heinz adoptieren zu können, ist sie eine „Scheinehe“ mit Werner eingegangen, dem Lebensgefährten ihres Onkels (zur Erinnerung: Homosexualität war damals strafbar!). Ihre große Liebe Jago hat sie zwar wiedergefunden, aber sie nimmt ihre Ehe ernst, obwohl sie ja nur auf dem Papier besteht...

Aber ich werde hier nicht die Ereignisse in Christas Leben schildern, sie geht durch Höhen und Tiefen, muss Schicksalsschläge hinnehmen, erlebt auch Positives – ja, wie das Leben eben so ist...

Ines Thorn zeichnet ein sehr gelungenes Bild von Christa inmitten der damaligen Zeit. Wir Leser*innen können uns gut mit Christa identifizieren (obwohl ich nicht jede ihrer Entscheidungen richtig fand, aber sie waren „zeitgemäß“). Es wurde mir wieder einmal deutlich, wie stark sich das Leben – besonders für uns Frauen – in den letzten 70 Jahren verändert hat: „Noch immer bestimmten die Männer. Das Geschäftskonto der Buchhandlung lief auf Werners Namen, das private ebenso, weil Frauen kein eigenes Konto haben durften. Sie durften auch ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner nicht arbeiten.“ (S. 28)

Christa kämpft ebenfalls immer wieder dagegen, dass auch in der Literatur zwischen Frauen- und Männerbüchern unterschieden wird: Gedichte und Kochbücher für Frauen – aber Christa muss leider feststellen, dass tatsächlich viele Frauen eher zum „Der gedeckte Tisch“ als zu Ingeborg Bachmann greifen...

Christa fühlt sich in ihrem Leben nicht zu Hause, sie möchte mehr, sie möchte ihr Leben eigenständig entscheiden, kurz: sie möchte die Gleichberechtigung mit ihren jeweiligen Partnern / Ehemännern – aber sie bemerkt, dass ihre gleichaltrigen Freundinnen vollkommen andere Lebensziele haben als sie: „Und keine war wie sie.“ (S. 141)

Christa hat das Gefühl, dass sie nur für die Bedürfnisse anderer funktioniert – und mit diesem Gefühl fühlt sich sie sich nicht von ihrem Umfeld verstanden... Aber in der großen weiten Welt fangen viele Frauen an, gegen diese Reduktion auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter zu protestieren, z.B. Betty Friedan in den USA mit ihrem Buch „Der Weiblichkeitswahn“. Aber auch Christa findet Lösungsmöglichkeiten – und ich bin sehr optimistisch, dass es ihr langfristig auch gelingen wird...

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, die Autorin hat das Zeitkolorit perfekt eingefangen - ja, die Menschen „tickten“ damals schon etwas anders.- aber sind wir doch ehrlich: ohne Frauen wie Christa hätte es vermutlich keine Frauenbewegung gegeben. Deshalb bin ich Frauen wie Christa dankbar für ihre Zweifel, ihre Zerrissenheit, ihre zwiespältigen Gefühle und Ines Thorn, dass sie dies alles so wunderbar in ihren Roman „eingebaut“ und beschrieben hat!