Rezension

Viele dunkle Geheimnisse

Mord im Christmas Express -

Mord im Christmas Express
von Alexandra Benedict

Bei diesem Buch hat mich der Titel und der Verweis auf Agatha Christie zu dem Kauf überzeugt. Wer liebt sie nicht, die klassischen Krimis nach dem Motto WER WAR ES. Für meinen Geschmack kommen da sehr wenig Neue auf den Markt. Ich war mächtig gespannt, ob das Buch dem Vergleich mit Agatha Christie Stand hält. Dem kann ich absolut zustimmen, ein zeitgemäßer, klassischer Krimi, skurril, ehrlich und mit einem ernsten Unterton.

Es ist der 23. Dezember, Schneechaos beeinflusst den Verkehr, nur der letzte Nachtzug macht sich auf in Richtung Schottland. Ex-Polizeibeamtin Roz möchte unbedingt pünktlich zu Geburt ihrer Enkelin in Fort William sein. Mit an Bord sind sehr unterschiedliche und teils skurrile Mitreisende. Das Schneetreiben bringt nicht nur den Zug zum Entgleisen, es geschieht auch ein Mord. Roz´s Vergangenheit wird ihr schlagartig wieder bewusst. Kann Sie dem Täter auf die Spur kommen und endlich ihren inneren Frieden finden?

Roz hat schwer an einem Erlebnis aus der Vergangenheit zu knacken, dies hat auch immer einen Schatten über das Verhältnis zu Ihrer Tochter gelegt. Doch jetzt, mit der Geburt ihres Enkelkindes, soll sich alles ändern. Roz will alles anders, besser machen. Die Mitreisenden könnten unterschiedlicher nicht sein. Da haben wir das berühmte Influencer-Pärchen Meg und Grant, deren Beziehungsleben mit allen Höhen und Tiefen öffentlich gelebt wird, quizsüchtige Studenten, eine etwas verkorkste Familie, eine resolute alte Frau mit Sohn und Katerchen, einem Staatsanwalt und einem Schwarzfahrer. Teilweise sind die Charaktere schon sehr skurril und extrem, doch sie passen für mich perfekt zur Geschichte. Als Leserin erfahre ich das Geschehen aus Sicht von Roz, ihre Beobachtungen, ihre Gedanken.

Genial finde ich die eingeschobenen kurzen Kapitel über die Gedanken des offensichtlich geschlechtslos gehaltenen Täters/Täterin, namentlich als KILLA bezeichnet.

Es dauert ein wenig bis zum ersten Todesfall, aber so kann auch ich mir ein Bild von den Personen machen. Manche finde ich regelrecht abstoßend, wobei Grant mit seiner respektlosen, demütigenden und brutalen Art absolut den Vogel abschießt. Sympathisch sind mir gleich die alte Mary mit ihrem Kater sowie der Staatsanwalt Craig, der offensichtlich mit Roz gleich auf einer Wellenlänge liegt. Die eher stille und zurückhaltende Ember vermag ich nicht wirklich einzuschätzen.
Nach dem ersten Todesfall startet Roz mit Hilfe von Craig die Befragung der Mitreisenden nach guter alter Agatha Christie Manier. Wer hat etwas gesehen? Wo war jeder zur Tatzeit? Ich zerbreche mir ganz schön den Kopf beim Miträtseln, falle aber doch auf die falsche Fährte der Autorin herein. Obwohl ich mir so sicher bin, werde ich eines Besseren belehrt.

Der zweite Erzählstrang mit dem Hergang der dramatischen Geburt des Enkelkindes gefällt mir sehr gut, da ich so tiefer in Roz´s Charakter und ihre Gefühlswelt eintauchen kann. Irgendwann muss sie sich ihren Dämonen stellen, um einen Neuanfang zu wagen.

Vielen Dank Alexandra Benedict für diesen spannenden, aber auch sehr tiefgründigen Kriminalroman, der sich auch mit dem heiklen Thema Missbrauch und Gewalt gegenüber Frauen beschäftigt. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Fazit:
Spannender klassischer Kriminalroman mit moderner Sprache und authentischen Charakteren, die das Ganze zu einem zeitgemäßen Lesevergnügen machen. Tiefgang erfährt die Geschichte durch das heikle Thema Missbrauch und Gewalt gegenüber Frauen.