Rezension

Vincent van Gogh kennt fast jede:r, aber wieso eigentlich?

Die Entflammten
von Simone Meier

Bewertet mit 4 Sternen

 

In „Die Entflammten“ lenkt Simone Meier den Blick auf eine Frau, die trotz ihres Erfolgs eher weniger im allgemeinen Bewusstsein verankert ist: Johanna van Gogh-Bonger, die ihren Schwager berühmt gemacht hat.

Gina ist Kunsthistorikerin und stößt über hundert Jahre später auf Jos Geschichte. In ihrem Umfeld scheint Gina von Menschen umgeben zu sein, die ihren Weg „einfach so“ gefunden haben, wohingegen sie ihre Stimme noch immer sucht und ihr Vater seit zwanzig Jahren an einem zweiten Buch scheitert – der ausbleibende Erfolg Nährboden für verschiedene Konflikte. 

Beim Lesen war ich mir nicht immer sicher, ob mir die Art der Erzählung gefällt. Grenzen verschwimmen, Teile gehen fließend ineinander über, die zum Teil nüchterne Darstellung  steht im deutlichen Gegensatz zu einigen geschilderten Erlebnissen und der Dialog Fiebertraum… 

  • Ich hatte erwartet mehr darüber zu erfahren, wie Jo der Durchbruch als Frau in der Kunstwelt gelungen ist. 
  • Ich hatte erwartet, dass der Tod der Brüder (da im Klappentext genannt) der Ausgangspunkt sein wird.
  • Ich hatte erwartet, dass Ginas Recherchen mehr im Fokus stehen würden.

Nichts davon hat sich erfüllt, aber: Letztendlich hat mich die Geschichte trotzdem eingefangen! Gina, die Vignetten aus ihrem Leben teilt und gleichzeitig Teile aus Jos Vergangenheit erkundet und Jo, die im Vergleich stärker und mutiger wirkt – oder liegt das nur daran, dass wir bereits wissen, dass ihre Bestrebungen Früchte tragen werden? 

Auch wenn der Roman mit Liebe und Kunst wirbt, für mich war es vor allem eine Geschichte über Inspiration. Wir haben Jos Geschichte, die Interesse weckt sich näher mit ihr zu befassen, die Gina aber am Ende doch nicht überschattet. Stattdessen ist sie der Anstoß ihre Geschichte zu Papier zu bringen, über eigene Erfahrungen zu reflektieren und Mut zu fassen. Vielleicht hat mich das Buch auch einfach in einem passenden Moment erwischt.

(Wenn euch beim Lesen ein enger Bezug zu den Protagonistinnen wichtig ist, würde ich euch den Roman nur eingeschränkt empfehlen. Das Innenleben steht weniger im Fokus und auch ausufernde Gefühle werden eher nicht beschrieben, es gibt aber durchaus emotionale Stellen, die für mich durch die sonst eher nüchterne Art besonders herausstechen. Stellt euch einen Mix aus Roman, Essay und Biografie vor – vielleicht hilft das zum Einordnen!)