Rezension

Vom Mut anders zu sein

Jessicas Geist - Andrew Norriss

Jessicas Geist
von Andrew Norriss

Bewertet mit 5 Sternen

Francis ist ein Einzelgänger an seiner Schule, meistens allein und ohne Kontakte zu seinen Mitschülern, denn er ist anders, anders als die anderen Jungs an seiner Schule. Er liebt es, stundenlang an seiner Nähmaschine zu sitzen und Kleider zu nähen, die er zunächst sogar selber entworfen hat. Diese Kleider schneidert er für seine Puppen, von denen er zur Zeit ca. 50 in seinem Nähzimmer stehen hat. Die anderen halten ihn für einen Freak, umso verblüffter ist er, als sich eines Tages, als er sein Mittagspause in der Kälte alleine draußen verbringt, ein hübsches Mädchen zu ihn setzt. Kurzentschlossen bietet Francis ihr etwas von seinem Essen an und erntet große Verblüffung. Denn Jessica, so heißt das Mädchen, kann es kaum fassen, dass Francis sie sehen kann. Jessica ist nämlich ein Geist und das schon seit über einem Jahr und bisher konnte sie niemand sehen. Die beiden kommen ins Gespräch und merken, dass sie etwas gemeinsam haben, die Liebe zur Mode. Er zeigt ihr sein Nähzimmer und Jessica ist begeistert. Schnell schließen sie eine aussergewöhnliche Freundschaft und endlich hat Francis jemanden, der ihn versteht. Doch warum kann er als einziger Jessica sehen? Und woran ist Jessica gestorben? Fragen, auf die sie zunächst keine Antwort finden.

Meine Meinung:

Ein Jugendbuch, das mich gleich von der ersten Seite an abholen und mitreißen konnte, denn ganz schnell wird klar, dass es hier um ein ganz besonderes Thema geht. Der Schreibstil ist fließend und hat ein wenig was von einem modernen Mädchen, denn die Ausdrucksform klingt sehr erzählend, als wenn man Jemandem zuhört und das was er sagt, hat große Bedeutung. Andrew Norris erzählt seine Geschichte mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Tiefgang und mir fiel es gleich sehr leicht, mich in seine Charaktere zu versetzen. Man spürt einfach beim Lesen, wie es in Francis aussieht und möchte ihm Mut machen, denn er kann etwas ganz Außergewöhnliches. 

Das Buch ist nicht voller Action und doch liest es sich schnell und durchweg spannend, denn nicht nur Francis und Jessica stellen sich die Frage nach dem Warum Francis sie sehen kann. Ich hatte zwar eine Vermutung, aber ich denke, wenn man hier die Zielgruppe mitbedenkt, ist das nicht unbedingt durchschaubar, auf was der Autor hier hinaus will.

Das Buch geht um die Gefühle von Menschen, den Umgang miteinander und darum, wie schnell man sein Gegenüber zu tiefst verletzen kann, mehr oder weniger bewusst. Es geht um Andersartigkeit und darum, dass man den Mut haben soll, für sich einzustehen und sich nicht daran zu stören, was andere über einen denken. Denn anders sein ist nicht schlimm und nichts, für das man sich schämen müßte. Gerade Jugendliche, die sich selber finden müssen, haben genau hier ihre Probleme und genau das trifft der Autor mit seiner Geschichte voll und ganz. Andrew Norris gelingt es perfekt, die Gefühlswelt eines Teenagers darzustellen und wiederzugeben. 

Erzählt wird das Ganze in der dritten Person, so dass ich diesen Teenager nicht nur zusehen konnte, sondern mich durchaus in sie hineindenken und -fühlen konnte. 

Der Spannungsbogen ist durchweg zu spüren und zum Ende hin wird es auch noch einmal richtig spannend und es kommt zu einer Situation, die ich so nicht vorausahnen konnte. 

Die Charaktere haben mich beeindrucken können, denn es geht in diesem Jugendbuch nicht um die Ballkönigin, die mit dem Footballstar ausgeht. Stattdessen sind hier die aussergewöhnlichen Jugendlichen, die normalerweise am Rande stehen, die Charaktere, die im Vordergrund stehen. Es sind die Personen, die bestenfalls auffallen, wenn sie wieder gehänselt werden und hier wird eindringlich darauf eingegangen, was das auslöst in einem Menschen.

 

Mein Fazit:

Ein Buch, das mich berühren konnte und mich für eine Weile nachdenklich zurückgelassen hat. Außergewöhnlich gefühlvoll und mit viel Tiefgang erzählt der Autor eine Geschichte, wie sie, zumindest teilweise, an jeder Schule stattfindet. Ein Buch, das Mut macht und zwar genau denen, die es auch brauchen. Ein Buch, dass genau auf seine Zielgruppe gerichtet ist und auch mich noch einmal an meine eigene Schulzeit zurück denken ließ. Eine klare Leseempfehlung und fünf von fünf Sternen!