Rezension

Von Helden und Herzensbrechern

Makarionissi oder Die Insel der Seligen - Vea Kaiser

Makarionissi oder Die Insel der Seligen
von Vea Kaiser

Inhalt
Ja, ja, die liebe Familie. Wer kennt das nicht? Ob Großmutter, Mutter oder Vater – wie gerne geben diese ihren Kindern oder Enkeln einen gut gemeinten Rat oder mischen sich ungefragt in deren Leben ein. Mal geht es gut. Mal nimmt es solche Folgen, wie bei Eleni und Lefti, die bereits in der Kindheit füreinander bestimmt waren. Eleni wurde sogar extra gezeugt, um als Erwachsene Lefti zu heiraten. Ein Plan, der gehörig daneben ging. Denn die Rechnung wurde ohne Cousin und Cousine gemacht, die sich nicht nur nicht liebten, sondern sich auch charakterlich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatten. Trotzdem heiraten die beiden, wenn auch nur um Eleni vor einem längeren Gefängnisaufenthalt zu bewahren, da sie sich als Kommunistin während der Militärdiktatur 1967 politisch engagiert. Die beiden ziehen nach Hildesheim und beginnen unabhängig voneinander ein neues Leben. Sie verlieben sich in neue Partner, lassen sich scheiden, bekommen Kinder und verlieren sich über 40 Jahre aus den Augen. Beide leben ein Leben unabhängig voneinander mit all seinen Höhen und Tiefen -  aber vergessen, nein, vergessen tun sie einander nie.

Meine Meinung
Vea Kaiser hat mit ihrem zweiten Buch ein kleines Meisterwerk geschaffen. Sie nimmt uns zunächst in das kleine Dorf Varitsi an der albanisch-griechischen Grenze mit, in dem wir dem Kuppelspiel der Großmutter beiwohnen dürfen, die glaubt, alles richtig gemacht zu haben, als sie für den Fortbestand der Familie sorgt, aber aus den Augen verliert, dass die lang ersehnten Zeichen fatale Folgen haben könnten. Denn in ihrer Euphorie versteht sie die Zeichen falsch und so wird Eleni gezeugt, die schon von ihrer Geburt an als Frau von Lefti vorgesehen ist.

Eleni und Lefti könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Eleni ist eine Kämpferin, die sich schon früh politisch engagiert und sogar einen Gefängnisaufenthalt in Kauf nimmt, um ihre Ziele zu verfolgen. Sie ist stur, egoistisch und schert sich nicht um die Meinung anderer um den für sie passenden Weg zu gehen. Lefti hingegen ist ein Mensch, der sich unterordnet, mit großem Herzen durchs Leben geht und über die Jahre hinweg gelernt hat loszulassen. Nicht zu verdrängen und zu vergessen. Aber zu vergeben und Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind.

Als beide heiraten und ein neues Leben in Hildesheim beginnen, findet sich Lefti schnell in Deutschland zurecht und wird sogar als Deutscher als so mancher Deutsche bezeichnet. Nur Eleni hat ein Problem, was schon mit dem deutschen Nein zusammenhängt, was sie nicht akzeptieren mag. Das ungleiche und zwangsweise verheiratete Ehepaar, lebt sich weiter auseinander und lernt neue Partner kennen und lieben. Und so tritt Trudi in Leftis Leben, die für mich eine der großartigsten weiblichen Figuren ist, die ich in einem Roman kennenlernen durfte. Sie wirkt zwar lieb und nett, ist aber auch sehr viel mehr. Auch sie weiß zu kämpfen, wenn es notwendig ist, aber sie tut dies mit anderen Waffen. Ihre Waffe ist ihr großes Herz und die Liebe, die sie für Lefti empfindet und da kann die stille Trudi auch schon mal zur Furie werden. 

Eleni hingegen lernt Otto kennen, mit dem sie für lange Zeit verbunden bleibt, auch wenn sich ihre Wege erst einmal trennen. Mit Otto hatte ich anfänglich meine Problem und kann nur jedem raten Geduld zu haben. Denn er ist einer dieser Charaktere, die man besser kennen muss, um sie vollends in Herz schließen zu können.

Ein Stammbaum auf den ersten Seiten des Buchs bietet dem Leser zusätzlich eine gute Orientierung, um sich in der Geschichte über mehrere Generationen zurechtzufinden. Wunderschön ist auch die Idee, die Kapitel mit "Gesang" zu betiteln, die in kurzen, leicht märchenhaft wirkenden Worten umreißen, worum es in dem nächsten Abschnitt geht.

Vea Kaiser hat ein großartiges Familienepos geschrieben, dass mich restlos begeistert hat und mein bisheriges Lese-Highlight in diesem Jahr ist. Mit Fabulierkunst, Humor, Originalität, griechischer Mythologie und einer filmreifen Geschichte ist es ihr gelungen ein Thema, das schwerfällig und trocken hätte sein können, mit ganz viel Leben zu füllen. Wie man in so jungen Jahren, so gut schreiben kann, ist mir immer noch ein Rätsel. Chapeau, Vea Kaiser!

Fazit
"Makarrionissi oder die Insel der Seligen" ist eines dieser Bücher, die man so schnell nicht vergisst. Wer auch einen Ausflug auf die Insel der Seligen machen möchte, sollte diesen Roman unbedingt lesen. Ich habe den Aufenthalt mehr als genossen und bin nur sehr ungern wieder abgereist. Ganz klare Lese- und Kauf-Empfehlung!