Rezension

Was schlummert tief in dir drin, Lea?

Leinwand ohne Gesicht -

Leinwand ohne Gesicht
von Doris Wiesenbach

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch erschien 2022 im Kirschbuch Verlag und beinhaltet 247 Seiten.

„Wenn ich bis zum Monatsende nicht herausfinde, wer ich bin, wird er mich mitnehmen.“

Lea ist eine junge Frau und ein „Drinnenmensch“. Sie lebt seit Jahren ohne Erinnerung in einer Privatklinik für Gedächtnislose in Berlin. Therapiefuchs Kalle ist ihr treuer Begleiter und nur er darf sie berühren. Eines Tages lernt Lea einen neuen Patienten in der Klinik kennen und dieser kommt ihr ungewöhnlich nahe. Ihr Ehemann Golo verliert die Geduld und drängt sie in ein Leben im „Draußen“. Doch das Schicksal schlägt erneut zu und konfrontiert Lea mit einer Leinwand, die Stück für Stück ein Bild enthüllt, das Lea zu zerreißen droht.

Das Cover des Buches ist einfach zauberhaft. Als ich den Klappentext gelesen habe, war ich sehr gespannt, welche Geschichte mich hier erwartet. Und dann war ich mitten im Geschehen. Lea erzählt ihre Geschichte. Sie hat ihr Gedächtnis vor zwei Jahren komplett verloren und hat nur Erinnerungen an die letzten zwei Jahre. Wie schlimm muss das sein? Ich war ziemlich beeindruckt vom Schreibstil der Autorin Doris Wiesenbach. Sie hat sehr authentisch dargestellt, wie Lea sich verhält. Sämtliche Gefühle sind bei ihr wie eingefroren und zum Glück hat sie ihren Therapiefuchs Kalle, von dem ich zuerst dachte, dass er nur in ihrer Phantasie existiert. Aber nein, ihn gibt es wirklich. Was ist dieser Frau nur Schlimmes widerfahren, dass sie sich an so gar nichts erinnern kann? Ich hatte vor einigen Jahren einen leichten Schlaganfall und hatte da auch so einige Gedächtnislücken. Das war schon so unfassbar. Genau aus diesem Grund konnte ich mich gut in die junge Frau hinein verdenken und fand es interessant, alles aus ihrer Perspektive zu lesen. Wie geht es einem, wenn man nichts mehr weiß? In der Klinik gibt es auch andere Patienten, die ein ähnliches Schicksal wie Lea hatten. Doch als plötzlich ein neuer Patient in die Klinik kommt, wird alles anders. Lea lässt sogar zu, dass er sie berühren darf. So, mehr möchte ich nicht verraten, außer, dass ihr Ehemann Golo mir ziemlich auf die Nerven ging. Die Autorin hat hier ein Thema gewählt, dass wirklich nicht einfach ist und noch lange in mir nachwirken wird. Und was mir so zu Herzen ging ist der Gedanke, dass dieses Schicksal jeden Menschen treffen kann durch einen unbedachten Moment, durch ein Ereignis, das  einen sozusagen einfrieren lässt. Ich hatte wunderbare Lesemomente und konnte das Buch nicht mehr aus den Händen legen, so sehr hat es mich in seinen Bann gezogen. Am Ende war ich sprachlos und mir liefen die Tränen. Wie toll, dass Lea von wirklich lieben Menschen umgeben ist. Die Autorin Doris Wiesenbach hat eine sehr beeindruckende Geschichte zu Papier gebracht, mit der sie mich komplett überzeugt, begeistert und fasziniert hat.  Sie hat mein Herz berührt und ich finde, dass es kaum Schlimmeres gibt, als sich nicht mehr erinnern zu können… Wieder mal ein Lesehighlight des Jahres 2022. Ich empfehle dieses Buch gern weiter.