Rezension

Ein Buch das lange nachklingt

Leinwand ohne Gesicht -

Leinwand ohne Gesicht
von Doris Wiesenbach

Bewertet mit 5 Sternen

Doris Wiesenbach hat hier eine sehr besondere Geschichte geschrieben, die sich sehr wichtigen Themen unserer Gesellschaft widmet. Sie spricht auch schmerzliche und unangenehme Dinge an, kann diese jedoch immer so verpacken, dass man das Buch nicht aus der Hand legen mag, ab und an lockert fein eingesponnener Humor die Handlung passend auf.

Über die Entwicklung der Protagonistin Lea kann man gar nicht viel mehr verraten, als der Klappentext hergibt, denn jedes Zuviel wäre hier schon ein Spoilern, dass dem Kennenlernen der Geschichte ihren Reiz nimmt. Die junge Frau Lea hat ihr Gedächtnis verloren und verlässt nie die Berliner Privatklinik, in der sie gut betreut wird. Nach ihrer Zeitrechnung ist sie zwei Jahre alt, sie musste alles neu lernen und hat sich trotz aller Bemühungen nicht wiedergefunden. Ihr Mann Golo verliert zunehmend die Geduld und möchte sie wieder zu Hause haben. Finn ist ein ehemaliger Patient, der jetzt Tiere ausbildet und mit seiner Arbeit die Klinik unterstützt. Er hat einen jungen Fuchs aufgezogen, Kalle, an dem Lea sehr hängt. Als der Neupatient Tom aufgenommen wird, kommt es zu einer neuen Dynamik, die einige Dinge ins Rollen bringt. Der leitende Arzt und seine Frau begleiten die Patienten mit einem bewundernswertem Engagement. 

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, die durch klare Zäsuren jeweils neue Entwicklungen mit sich bringen, die immer überraschen und berühren. Nach und nach entblättert sich ein unglaubliches Schicksal sowie ein brisantes Geheimnis. Erzählt wird aus unterschiedlichen Perspektiven, dadurch kann man die Protagonisten sehr gut kennenlernen. Sogar Kalle, der Therapiefuchs, kommt zu Wort, seine Beobachtungsgabe und instinktive Einschätzung der Charaktere sind sehr treffend. 

Mich hat das Buch sehr berührt, obwohl ich zunächst eine ganz andere Entwicklung erwartet habe. Leas Verlust wird durch die Schilderung ihres Alltags und der Gefühle sehr nachvollziehbar. Wie muss es sein, wenn man in den Spiegel schaut und da kein Erkennen ist. Zu diesem tragischen Aspekt kommen weitere Wahrheiten, die in unserer toleranten offenen Gesellschaft gerne unter den Tisch gekehrt werden. 

Mit dem Fortgang der Geschichte füllt sich Stück für Stück füllt die leere Leinwand mit einem unerwarteten Abbild. Das Cover und der Titel sind überaus passend. 

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich kann es allen empfehlen, die emotionale und schwierige Themen nicht scheuen.