Rezension

Was wäre, wenn...

Eroberung -

Eroberung
von Laurent Binet

Bewertet mit 4.5 Sternen

Was wäre, wenn ein Haufen Wikinger mit Pferden und eisernen Waffen an Bord lange vor irgendwelchen europäischen Weltentdeckern in Südamerika gelandet wäre? Was, wenn Kolumbus nie von seiner großen Fahrt zurückgekehrt wäre? Aus diesen eigentlich recht unbedeutend wirkenden Änderungen spinnt Binet hier ein gleichzeitig plausibles wie irres Szenario, in dem große Teile Europas unter die Herrschaft der Inka fallen.

Mit staunen habe ich diese mal spannende, mal witzige, mal etwas langwierige Geschichte verfolgt. Je mehr man über die Geschichte des 16. Jahrhunderts weiß, desto mehr Freude wird man an diesem Buch habe. Aber auch ohne allzu großes Geschichtswissen macht es viel Spaß dem Sonnenkönig Atahualpa und seiner nackten kubanischen Prinzessin Higenamota bei ihrer Eroberung Europas zu folgen.

Ja, so viel Spaß sogar, dass man sich plötzlich wünscht, die Geschichte hätte sich so zugetragen, wie Binet es schildert! Es gäbe ein Lamapäärchen zur Hochzeit jedes Bauern! Verfolgung und Mord aus religiösen Gründen würden drastisch eingeschränkt! Inquisition? Abgeschafft! Dafür Kornspeicher statt Hungernöte! Wären da bloß nicht andere kriegerische Völker und intrigante Katholiken...

Als einzigen kleinen Wermutstropfen muss ich den letzten Perspektivenwechsel nennen: Jede vorangegangene Erzählperspektive hat storytechnisch absolut Sinn gemacht. Aber warum wir am Ende gerade dem jungen Cervantes folgen, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Mir fehlte der geschichtliche Dreh.

Mit Witz und Fingerspitzengefühl entspannt Binet in "Eroberung" eine phantastische alternative Weltgeschichte. Einen klassischen Roman darf man hier dementsprechend nicht erwarten. Aber wer gerne Dokus über europäische Geschichte, fremde Kulturen, Kriege oder die Inka schaut, der dürfte auch hieran seine Freude haben. Ich wäre nun nur allzu bereit, dem großen Inka, Sohn der Sonne zu huldigen und würde mich über jegliche Fortsetzung aus Binets Feder freuen!