Rezension

…weihnachtlich-magisch & ohne süßlichen Kitsch: Geht das? Ja, das geht!

Der magische Adventskalender - Jan Brandt

Der magische Adventskalender
von Jan Brandt

Jonas ist ein introvertierter Junge, der sich nach dem Tot der Großmutter noch weiter zurückgezogen hat. Weder sein Vater noch seine jüngere Schwester Sonja finden einen Zugang zu ihm. Auch in der Schule häufen sich die Probleme: Er ist unaufmerksam und kommt mit Verspätung zum Unterricht. Zudem wird er von seinem Mitschüler Maik Mirscheidt gemoppt. Auch der beginnenden Adventszeit kann er nur wenig abgewinnen, bis er plötzlich einen geheimnisvollen Kasten mit 24 Türchen auf der Straße vor seinem Zuhause findet. Jedes Türchen ist mit einem anderen Symbol gekennzeichnet, und Jonas erkennt schnell, dass nicht er allein diese Türchen öffnen kann. Er muss sich auf die Suche begeben und den passenden Menschen zum jeweiligen Symbol finden. Nur widerwillig und sehr zögerlich verlässt er sein Schneckenhaus. Doch die Neugier, zu erfahren, was es mit diesem merkwürdigen Adventskalender auf sich hat, ist größer. So ist Jonas quasi gezwungen mit den Menschen, die für das jeweilige Symbol stehen, in Kontakt zu treten. Hilfe bekommt er von seiner Schwester Sonja, die ihn auch gegen Maik Mirscheidt unterstützt. Der würde nur zu gerne den  Kalender in die Finger bekommen. Zudem scheint dieser magische Kalender noch ein weiteres Geheimnis zu hüten…!

Auf dem Markt gibt es Adventskalender zuhauf wie der sprichwörtliche „Sand am Meer“: ob mit Schokolade, Wein, Knabbereien oder Beauty-Produkte – je nach persönlichem Gusto und für jeden Geldbeutel. Und auch aus einer Fülle an (mehr oder minder gelungenen) literarischen Adventskalendern kann der lese-affine Kunde wählen. Bisher fiel es mir leicht, dieser Versuchung zu widerstehe, und ich fürchte, auch zukünftig werden es literarische Adventskalender schwer haben, mich zu überzeugen. Doch warum nun diese Ausnahme…???

Jan Brandts erzählt die Geschichte unaufgeregt und mit Bodenhaftung. Er verzichtet wohltuend auf übermäßigen Zuckerguss, ertränkt die Geschichte nicht im Weihnachtskitsch und lässt der Handlung so den nötigen Spielraum, um zu „atmen“. Dabei switscht er gekonnt zwischen Jonas Wirklichkeit und seiner Fantasie hin und her. So wirkt einiges für den Leser beinah surreal: Seine Personenzeichnung ist zwar nah an der Realität aber (wie es sich für eine „ordentliche“ Weihnachtsgeschichte gehört) nicht bedrohlich realistisch. Die Menschen in Jonas Umfeld sind Personen mit Ecken und Kanten, mal mehr und mal weniger liebenswert. Trotzdem muss Jonas mit ihnen in Kontakt treten, sich mit ihnen auseinandersetzen und arrangieren. Nicht immer läuft alles nach Jonas Sinn, häufig muss er auch Kompromisse eingehen.

Und doch passiert in Brandts Geschichte durchaus Magisches: Aufgrund des Kalenders ist Jonas gezwungen, mit Menschen in Verbindung zu treten, sie anders/neu wahrzunehmen und einmal gefällte Vorurteile zu überdenken. Die Menschen verändern sich: Diese kleine Aufmerksamkeit, die ihnen durch den Kalender zuteilwird, öffnet ihre Türen und ihre Herzen und schafft die Möglichkeit zur Kommunikation. Neue Bindungen entstehen, und selbst „Feindschaften“ (Jonas vs. Maik Mirscheidt) werden neu definiert.

Die Illustrationen von Daniel Faller sind sehr detailreich und unterstreichen den durchaus surrealen Charakter der Geschichte. Durch die reduzierte Farbwahl und dem Einsatz von Licht/Schatten erzeugen sie Spannung und schaffen Atmosphäre. Zudem unterstützen sie die Handlung kongenial.

Apropos Spannung: Dem Autor gelingt es, seine Leserschaft „bei der Stange“ zu halten und deren Neugier für diese durchaus manchmal abstrus wirkende Geschichte zu wecken: Unbedingt wollte ich erfahren, was es mit diesem magischen Adventskalender auf sich hatte, und wer sein Urheber schlussendlich war. So mag die Auflösung am Ende vielleicht nicht allzu überraschen, doch sie war für mich stimmig. Und offen gesagt: Anders möchte ich das Ende einer Weihnachtsgeschichte auch nicht haben wollen!