Rezension

Welche Medikation hilft gegen ein Buch, das leider völlig falsche Erwartungen weckt?

Die kleine literarische Apotheke -

Die kleine literarische Apotheke
von Elena Molini

Bewertet mit 2 Sternen

Liebt nicht jeder Bibliophile Bücher über Bücher? Möchte nicht jeder Buchbegeisterte am liebsten eine eigene Buchhandlung eröffnen? Verliebt nicht jeder Büchernarr sich in die Idee einer literarischen Apotheke, die Idee einer Bibliotherapie?

Ich kann alle drei Fragen für mich mit einem klaren "ja" beantworten. Wenn ich schon keine eigene Buchhandlung eröffnen kann, dann lese ich doch liebend gerne über Protagonisten, die diesen Traum leben. Entsprechend bin ich mit der Erwartungshaltung an die Lektüre herangegangen, dass die Autorin mich verzaubert und "verführt", gleich nach einer literarischen Apotheke zu fahnden, wo ich die von ihr beschriebenen Heilmittel gegen alle möglichen Wehwehchen, Krankheiten und Störungen erhalten kann. Von einem Werk mit diesem Titel habe ich - auch aufgrund des Klappentextes - ein Buch erwartet, dass vollgespickt ist mit Literaturtipps. Ganz ehrlich: Wer eine ähnliche Erwartungshaltung hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich von der Lektüre enttäuscht werden, wir es bei mir selbst der Fall war. Denn das Buch wurde ungünstig vermarktet. Was als Gegenstand des Romans angeworben wird, ist allenfalls ein sträflich vernachlässigter Kontextrahmen. Im Vordergrund stehen chaotische und oberflächliche ProtagonIstInnen wie Blu und ihre WG-Mitbewohner sowie deren doch recht belanglose Nöte und Liebesangelegenheiten. Blu entwickelt die Geschäftsidee zur literarischen Apotheke quasi en passant. Dann geht es Schlag auf Schlag, und es stellt sich ein riesiger Erfolg ein, der aber durch zahlreiche planlose und scheinbar zusammenhanglose Vorfälle in den Schatten gestellt wird. Gegen Ende habe ich immer mehr den Durchblick verloren, da viele Fäden zwar gesponnen, aber nicht miteinander verwoben oder auch wieder fallen gelassen werden. 

Blu als Hauptprotagonistin war mir sehr unsympathisch. Gar nicht so sehr, da sie sehr chaotisch ist. Sie wirkt absolut unreif, oberflächlich und realitätsfremd. Zynischerweise müsste man sagen, dass sie vielleicht die am stärksten Therapiebedürftige im ganzen Geschehen ist. Ihre Geschäftsidee fällt vor dem Hintergrund quasi vom Himmel. Dann hat sie einen Riesenerfolg damit, obwohl sie ständig Dinge tut, die jedes Geschäft nur ruinieren würden. Mir hat es den letzten Nerv geraubt. Auf die anderen ProtagonistInnen will ich gar nicht erst separat eingehen, sie bleiben aber letztlich ohnehin blass. 

Sprachlich und stilistisch hat mich das Buch leider auch nicht überzeugt. Fraglich, ob es wirklich an der Übersetzung liegt. Auffällig waren auch inhaltliche Widersprüche bezüglich der Belesenheit der Geschäftsführerin, die angeblich jedes Buch kennt und eine riesige Regalwand zu Hause hat, in der alles steht, was sie in elf Jahren gelesen hat. Das sind gerade mal 200 Bücher, was schon fast in ein Regal passt. Das ist nur ein Beispiel unter mehreren.

Einen Lichtblick gibt es dann am Ende doch mit den zusammengestellten Beipackzetteln der literarischen Apotheke. Das ist von der Idee her schön, wenn auch nicht originell. Über die Möglichkeit, neue Bücher dort zu entdecken, habe ich mich aber dennoch gefreut. Noch schöner wäre es gewesen, wenn diese literarische Apotheke nicht einfach nur angehängt worden wäre, sondern tatsächlich im Mittelpunkt der Geschichte gestanden hätte.

Hier gibt es leider keine Leseempfehlung von mir. Ich empfehle stattdessen, sich zuvor mit der eigenen Erwartungshaltung auseinanderzusetzen, um potentiellen Enttäuschungen vorzubeugen und nicht während der ganzen Lektüre verzweifelt und vergeblich auf ein Heilmittel gegen eine falsche Lese-Erwartung warten zu müssen.