Rezension

Wer trauert, wird nie mehr die Person sein, die derjenige vorher war

Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden - Saskia Jungnikl

Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden
von Saskia Jungnikl

Bewertet mit 4 Sternen

Als Saskia Jungnikls Vater sich 2008 erschießt, ist der Trauerprozess um ihren kurz zuvor verstorbenen Bruder noch lange nicht abgeschlossen. Auch in ihrer Familie ist durch den Tod das Mobile des Familienlebens entscheidend aus dem Gleichgewicht geraten. "Papa hat sich erschossen" diente der Autorin als Befreiungsschlag vom Selbstmord ihres Vaters. Inzwischen lebt die Journalistin mit ihrem Partner in Hamburg und versucht in der Stadt Fuß zu fassen. Infolge der beiden Todesfälle entwickelt Jungnikl Ängste selbst zu sterben, die sie in einer Therapie bearbeitet. Ihre Auseinandersetzung mit dem Tod in Form kurzer Reportagen mäandert lose um die Themen Sterben, Altern, Umgang mit dem Tod und mit Trauernden. Schlaglichtartig taucht Wissenswertes über Bodyfarmen, Todesursachen, Altersforschung, die Wahrnehmung von Zeit, Erinnerungen, Abschiedszeremonien und über den Wert des menschlichen Lebens auf. Inhaltlich gehen die einzelnen Texte zwar nicht weiter in die Tiefe, sie dienen jedoch merklich der Selbstfindung der Autorin. Als sie darüber sinniert, warum es uns so schwer fällt, über das zu reden, was uns wirklich beschäftigt, eben auch über lange, nicht linear verlaufende Trauerprozesse, scheint Saskia Jungnikl dann beim Kern ihrer Sinnsuche angekommen zu sein.

Die Erkenntnis, dass beim Trauern jeder Betroffene ein eigenes Tempo benötigt und nicht fremden Ansprüchen genügen muss, lohnt jedenfalls, an einen größeren Leserkreis weitergegeben zu werden. Wer in seiner persönlichen Situation mit längeren Texten überfordert ist, findet hier einen unkomplizierten Einstieg ins Thema, da sich jedes Kapitel einzeln lesen lässt.