Rezension

Wie ein Märchen aus Mittwelt

Die Augen des Drachen - Stephen King

Die Augen des Drachen
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

Als König Roland von Delain ermordet wird, entbrennt ein Kampf um den Thron. Prinz Peter wird des Mordes am Vater beschuldigt, was von Hofzauberer Flagg in bösartiger Manier eingefädelt ist.

„Die Augen des Drachen“ ist ein Fantasyroman von Stephen King, der stark an Mittwelt aus seinem Zyklus um den dunklen Turm denken lässt, und meinem Gefühl nach für junge Leser geschrieben ist.

Dieses Buch habe ich einige Zeit vor mir hergeschoben. Ich liebe die Bücher von Stephen King, aber Fantasy liegt mir nicht. Trotzdem hat die Neugier überwogen und ich bin in eine wohlgeformte Märchenwelt abgetaucht:

„In einem Königreich namens Delain lebte einst ein König, der hatte zwei Söhne.“ (erster Satz, Audioversion)

Wer Stephen King kennt, weiß, dass er meistens vor dem Beginn der Geschichte anfängt. So ist es auch hier, dass er die Figuren und ihre Vorgeschichte beleuchtet, zeigt, wie sie dahin kamen, wo sie stehen und warum sie sich zu den Personen entwickelten, die im Ablauf der Handlung eine Rolle spielen.

Der Roman spielt in einer Fantasywelt, die keine nähere Bezeichnung hat. Der Aufbau lässt deutlich an das Mittelalter denken. Machtverhältnisse, Sitten, Gebräuche sowie Manieren werden in ihren Schilderungen dieser Zeit gerecht..

Märchenhafte Elemente ziehen sich durch den gesamten Roman: Es gibt einen König, zwei Prinzen, einen Zauberer, der Böses im Schilde führt, einen Turm, worin jemand gefangen ist, Lügen, Intrigen, giftiges Gebräu und einen Drachen, der trotz seiner Nebenrolle im Mittelpunkt der Ereignisse steht.

Der Märchenflair legt sich über Figuren und Ereignisse, und die Handlung ist  wenig überraschend. Inhalte und Erzählstil richten sich meiner Meinung nach an eine jüngere Leserschaft. Ich kann mir vorstellen, dass es für Mädchen und Jungs ab zwölf Jahren ein spannendes Abenteuer ist.

Für mich als erwachsene Leserin war es eine gute Geschichte, die mit vorhersehbaren Höhen und Tiefen zwar solide aber nicht durchgehend fesselnd wirkt. Die Absichten der Figuren waren einfach zu durchschauen, was teilweise zu einem monotonen Ablauf des Geschehens wird.

In Anbetracht seiner anderen Werken, ist „Die Augen des Drachen“ ziemlich gewöhnlich geraten. Ich fühlte an keiner Stelle den Wow-Effekt, der mich häufig bei seinen Büchern überkommt und aufgrund des märchenhaften Settings hat es mir an Bezug zu den Figuren gefehlt. 

Im Gegensatz dazu mochte ich, dass es auf mich wie ein Märchen aus Mittwelt wirkt. Wer den Protagonisten Roland Deschain (!) aus Kings Zyklus um den dunklen Turm kennt, kann sich vorstellen, dass der Revolvermann seinen Freunden am Lagerfeuer sitzend diese Geschichte erzählt. 

Genau wie im klassischen Märchen, wird von einem allwissenden Erzähler berichtet, der dank der Stimme David Nathans an die Hörbuch-Variante zu fesseln weiß.

Unterm Strich ist „Die Augen des Drachen“ eine schöne Geschichte, die gewiss für ein junges Publikum ein spannendes Abenteuer bereithält. Der erfahrene Fantasy-Leser findet ein nettes Märchen, das nur wenig zu überraschen weiß.