Rezension

Wie klingen Träume?

Lieder von Morgen - Rune L. Green

Lieder von Morgen
von Rune L. Green

Bewertet mit 5 Sternen

Lenia Barrett ist gerade mal Anfang zwanzig, eine begeisterte Musikerin und an Leukämie erkrankt. Zeit ist etwas, dass sie nicht hat. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb möchte sie Gitarre spielen lernen. Ihr Gitarrenlehrer Jonathan Benson ist genauso musikbegeistert wie sie, allerdings dem Leben lange nicht aufgeschlossen wie Lenia. Die Musik wird zu einer Art Brücke zwischen den beiden so gegensätzlichen Menschen und bringt sie die dazu, im Laufe der Zeit nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich voneinander zu lernen.
„Lieder von Morgen“ ist eine fiktive Geschichte, basierend auf wahren Erlebnissen der Autorin und anderen jungen Krebsbetroffenen. Offiziell unterstützt von der Deutschen Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs.

Schon zu Beginn des Buches musste ich an ein Zitat von Victor Hugo denken, der einmal gesagt hat: „Die Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber es unmöglich ist, zu schweigen.“ Der Titel „Lieder von Morgen“ ist nicht ohne Grund gewählt, Musik spielt tatsächlich eine große Rolle innerhalb der Erzählung. Für Lenia ist sie nicht nur Ausdruck verschiedener Gefühle, sondern auch etwas, dass ihr Kraft gibt. Für Jonathan ist Musik alles, allerdings sieht er in der Musik keine dauerhafte berufliche Perspektive. Außerhalb der Musik können sich Lehrer und Schülerin nur schwer zu einer Meinung durchringen, in der Musik und im Musizieren selbst harmonieren sie nicht nur perfekt, sondern wachsen auch über sich hinaus. Um Lenia und Jonathan, den sie konsequent Mr Benson nennt, herum, nehmen die Nebencharaktere nicht unwichtige Positionen ein. Da sind die verzweifelten Eltern, die sich in womöglich nicht allzu ferner Zukunft, von ihrem Kind verabschieden müssen, die beste Freundin, die durch alle Höhen und Tiefen mitgeht und die Freunde, die es gut meinen, sich aber nicht einfühlen können. Die verschiedenen Typen finden alle ihren Platz, ohne klischeehaft, beladen oder überflüssig zu erscheinen.

Rune L. Greens Geschichte lebt von der Gegensätzlichkeit der beiden Protagonisten, die sich durch ihre völlig unterschiedliche Art wiederum aber gut ergänzen. Der Aufbau ist stark an der Musik orientiert. So sind die einzelnen Kapitel nach Songs benannt, die extra für das Buch geschrieben wurden und im Anhang zu finden sind. Da „Lieder von Morgen“ in London spielt, sind die Songs alle auf Englisch und geben in gewisser Weise den Inhalt des Kapitels, zu dem sie gehören, wieder. In gewisser Weise ist somit auch die Geschichte eine Komposition, die durch Rune L. Greens einfühlsamen und gleichzeitig sehr schonungslos ehrlichen Schreibstil den Leser fesselt. Die Autorin nimmt einen dabei mit auf eine Reise durch Höhen und Tiefen, bei der man weint, bei der aber auch die humorvollen Momente und vor allem die Menschlichkeit nicht zu kurz kommen.