Rezension

Wie mir Amazon einen Strich durch die Rechnung machte

Ausgeliefert -

Ausgeliefert
von Alec MacGillis

Bewertet mit 4.5 Sternen

Meine Notizen zu "Ausgeliefert" sollten eigentlich mit einer Schimpftirade starten, weil es zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht auf den Internetseiten dieses Giganten zu finden war, und also ein Beweis für dessen Verkaufsmanipulationen gewesen wäre. Inzwischen findet man das Buch dort.

Mit der Pandemie, die 2020 praktisch die ganze Welt im Würgegriff hatte, erlebte Amazon einen beispiellosen Aufschwung. Mit seiner Position, praktisch alles liefern zu können und den Menschen, die mit Ausgangssperren, Homeoffice und -schooling absolut darauf angewiesen waren, fanden sich zwei Seiten, die sich schneller vermählten, als jeder Wahrsager hätte jemals abschätzen können.

Natürlich war das keine komplette Kehrtwende der Marktzustände, sondern eine Weiterentwicklung, die ihre Wurzeln im Niedergang der Industrialisierung der 1. Welt-Länder, hier namentlich Amerika, hatte und die mit der Einführung des World Wide Webs, fast schon folgerichtig erschien. Was vorher nur der Geschwindigkeit und Bequemlichkeit geschuldet war, wurde nun zur Überlebenstechnik.

MacGillis aber holt etwas weiter aus und beschreibt, wie politische Entscheidungen und Möglichkeiten der Einflussnahme auf diese, Amerika vom Self-made-Player, mit vielen, gut aufgestellten Mittelständlern, zum gehorsamen Fulfillment-Center verkommt und ganze Stadtverwaltungen einen Hampelmann machen, gänzlich auf Steuern verzichten wollen, nur damit wieder ein paar Arbeitsplätze entstehen, wo vorher ganze Industrieanlagen ins Ausland verlagert wurden. Anschließend dürfen sich die Behörden auch noch von Amazon tadeln lassen, weil sie nicht mehr ihren Aufgaben nachkommen kann, Schulen, Wege und Gesundheitswesen am Laufen zu halten. Die fehlenden Steuereinnahmen machen dies unmöglich und "großzügige" Spenden dieser Multimilliardärsunternehmen füllen nur "genehme" Lücken und werden werbewirksam an die große Glocke gehängt.
Fast möchte man den Kopf schütteln und das ganze als selbstverschuldet abhaken, doch das große Schreckgespenst ist schon längst weltumspannend. Amerika ziegt uns seine Auswirkungen nur immer schon ein paar Jahre früher und so dürfen wir uns gewiss sein, dass wir schon längst in der gleichen Mühle stecken.

Wir bejubeln Bezos und seine Weltraumflüge. Halten wir einen Moment inne und überlegen, wie ein einziger Mensch soviel Geld generieren konnte, um sich buchstäblich alles auf der Welt kaufen zu können. Und dann denken wir mal über Google, Facebook (Meta), Apple und Microsoft nach, die uns allen eine rosige Zukunft versprechen und die auch kommen wird... aber nur für einige wenige Menschen. Denn für alle wirds nicht reichen.

Die Mechanismen, die diese Entwicklung vorantreiben hat MacGillis in seinem Buch anhand ein paar menschlicher Beispiele sehr schön aufgezeigt, doch leider hüpft er zwischen diesen hin und her und schweift oft ab, so dass man sich sehr auf das Gelesene konzentrieren muss. Auch ist es hilfreich, wenn man sich schon mit der amerikanischen Politik ein wenig auskennt. Das Buch ist keine Aneinanderreihung von bösen Untaten, die Amazon begangen hat. Manchmal hat es sogar den Anschein, als ob sie ihre Marktmacht, wie die Jungfrau das Kind, in völliger Unschuld bekommen hätten. Die wirklich zynischen, versprechenbrechenden und menschenverachtenden Wendungen gibts zwischen den Zeilen und bedürfen großer Aufmerksamkeit. Vielleicht ist sich Amazon dessen bewusst und scheut also nicht davor zurück, das Buch offen anzubieten. Zumindest von ihren 10 bis 12-Stunden-Schicht-Arbeitern haben sie keine Kritik mehr zu befürchten. Sie werden weder Kraft, noch Zeit, noch Geld für diese Lektüre haben.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 20. Juli 2022 um 19:33

hoho, pöse! Abr nt pöse genug.