Rezension

…Wiederentdeckung eines charmanten Krimi-Klassikers!

Mord in Sussex -

Mord in Sussex
von John Bude

Ist ein Mord ohne Leiche immer noch ein Mord? Oder ist es nicht vielmehr ein ungeklärter Vermisstenfall? Diese Fragen stellt sich auch Superintendent Meredith als in der Grafschaft Sussex in direkter Nachbarschaft der imposanten Kalksandsteinfelsen der Wagen von John Rother verlassen aufgefunden wird: Die Windschutzscheibe ist zertrümmert, das Armaturenbrett beschädigt, und in unmittelbarer Nähe des Wagens findet sich die blutbefleckte Mütze des Vermissten. Ins Visier der Ermittlungen gerät sehr schnell sein Bruder William Rother, mit dem der Vermisste gemeinsam einen Brennofen für Bau-Kalk betreibt. Der Verdacht erhärtet sich, als in der Asche der Brennöfen menschliche Knochen entdeckt werden. Zudem können Überreste der Kleidung eindeutig dem Vermissten (Toten?) zugeordnet werden. Meredith arbeitet fieberhaft daran, aus der Fülle an Indizien dem Bruder die Tat nachzuweisen. Doch anstatt dass diese Fülle für Klarheit sorgt, tauchen immer mehr Ungereimtheiten auf und sorgen für Verwirrung. Als dann William Rother tot am Fuße des Kalksteinbruchs aufgefunden wird, droht der Fall Meredith gänzlich aus den Händen zu gleiten…!

Die Briten scheinen ein kriminalistisch veranlagtes Völkchen zu sein: Wie sonst lässt sich diese Fülle an talentierten Kriminal-Autor*innen erklären, die dieses Land bisher hervorgebracht hat. John Bude (Pseudonym von Ernest Carpenter Elmore) zählte in der so genannten „Goldenen Zeit“ zu den renommiertesten Schriftstellern und verfasste mehr als 30 Kriminalromane. Umso bedauerlicher ist der Umstand, dass er bei uns beinah gänzlich unbekannt zu sein scheint. So sind die Bemühungen des Klett-Cotta Verlags, diese Krimi-Klassiker wieder auszugraben, umso höher zu bewerten.

John Bude entschied sich bei der Entwicklung seiner Hauptperson gegen die damals vorherrschende Trend: Sein Superintendent Meredith erscheint dabei sehr menschlich. Er ist kein Superhirn mit legendären grauen Zellen oder übersensibelen Sinnen. Meredith verlässt sich auf Logik, gesundem Menschenverstand und den Fähigkeiten des Polizei-Apparats. So steckt er eben auch einige herbe Rückschläge ein und muss darum bei seinem Vorgesetzten (zähneknirschend) zu Kreuze kriechen. Im Gegenzug empfindet er es nicht unter seiner Würde, die Hilfe von Untergebenen, Privatpersonen oder Zeugen in Anspruch zu nehmen, und auch für die Ideen der Jugend (in Person seines kriminalistisch interessierten Sohnes) hat er ein offenes Ohr. Alles in allem ist Budes Schnüffler so herrlich normal – Ja! – beinah durchschnittlich: kein einsamer Wolf, keine Alkoholexzesse, kein Zynismus – doch dafür hat er Humor.

Ebenso „normal“ ist auch der Schreibstil von John Bude: Literarische Eskapaden sucht man vergebens. Vielmehr liefert er einen gut konstruierten Krimi mit einigen überraschenden Wendungen. Auch die Zeichnung des Settings und die Charakterisierung der Personen gelingen ihm sehr unterhaltsam und ansprechend. Der Leser ist dabei nie klüger als der Ermittler: Wenn schon, dann tappen sie gemeinsam im Dunkeln – in bester „Whodunit“-Manier.

Am Schluss bleibt er dann doch der damals gängigen Praxis treu: Er überlässt am Ende seinem rührigen Detektiv die Bühne, um den Fall in all seinen Facetten nochmals Revue passieren zu lassen und so dem Leser die Auflösung effektvoll zu präsentieren. Auch hier: In bester „Whodunit“-Manier…! Aber genau so wünsche ich es mir bei einem der guten, alten Krimi-Klassiker.