Rezension

Wir brauchen mehr Blutkonserven

Codename Nike - Annika Dick

Codename Nike
von Annika Dick

„Ich brauche eine Dusche.“

Sehr reinlich diese Vrykólakas und Theés (Einzahl Theá). Was das ist, fragt ihr euch? Laut der verstorbenen Frau, vom auf der Flucht befindlichen Ilias, Ana sind Theés Amazonen. Nike, Protagonistin des Buches, liebäugelt da eher mit dem griechischem Pantheon. Nicht umsonst hat sie sich den Namen der Siegesgöttin in den Nacken tätowieren lassen. Nun ja, korrekterweise muss sie das andauernd erneut tun, denn sie hat enorm gute Heilfleisch. Und mit Thanos, ist jetzt nicht der Böse aus dem Marvel Universum gemeint, sondern der Anführer der Vrykólakas (sprecht das Wort dreimal schnell hintereinander aus!).

Wir befinden uns in Griechenland und haben keine Superhelden. Nur eine Bande entlaufener Genprojekte männlichen Geschlechts, welche von einer Version 2.0 weiblichen Geschlechts gejagt werden. Wie aber auch bei dem ein oder anderen Superhelden (ich schau jetzt nicht zu dem Captain mit dem Schild) finden wir auch in diesem Auftakt zu einer hoffentlich bald weitergeführten Serie, eine Organisation namens OLYMPUS, die ihre eigenen Supersoldaten kreieren wollte. Ist ihnen auch gelungen. So viel schon einmal vorweg. Nur, von den Nebenwirkungen stand damals nichts im Vertrag, als all diese Männer sich den ominösen Operationen unterzogen. Da stand zum Beispiel nichts davon, dass sie außerordentliches Gefallen an ‚Blutsuppe‘, ‚Blutwurst‘ und ‚blutige Marys‘ entwickeln würden. Es handelt sich um einen Blutsauger-Roman. 'Vlad, der Pfähler', die 'Ketchup-Vampire' oder 'Vampirella' bleiben aber zu Hause in dem Fall. Denn Vampire züchten stand eigentlich nicht direkt auf Iosifs Plan.
 

„Ich begann schon zu glauben,
der Tag würde nie kommen.“

Das denken sich hier einige Charaktere. Nike allen voran. Die kann den Tag kaum noch erwarten, an dem sie endlich dem Monster gegenüber steht, welches ihre Mutter getötet hat, während sie sich im Schrank verkriechen musste. Oder Iosif, der kann den Tag kaum noch erwarten, an dem er den Preis für ‚den Papa des Jahres‘ zugesprochen bekommen wird. Ihm auf einem Wahlplakat den Slogan: „Weil unsere Kinder die Versicherung für unser Alter sind!“ unterzujubeln, wäre zwar makaber aber nicht abwegig. Oder Antagonist Daniel. Dieser wahlweise: Idioti! Vlákas! oder Baatzi! kann den Tag kaum noch herbei sehen, an dem Iosif endlich abkratzt. Valeriu hingegen, wartet nur darauf endlich Daniel an die Kehle zu gehen. Und Jérôme in Frankreich, dem steht’s bis dorten *Geste mit flacher Hand über dem Kopf*. Tja… und dann ist da noch Thanos zu dem dieses Zitat gehört. Ilias, sein Kamerad, sagt es über ihn. Denn die hier gebotene Geschichte ist eine Romanze.

Annika Dicks flotter Schreibstil lässt zwar nur sehr spartanische Umgebungsdetails zu, glänzt dagegen aber mit viel Spannung. Wenn nicht gerade einmal wieder alle im Haus fest sitzen, weil es dort sicherer ist, als sich draußen blicken zu lassen. Und da man ja sowieso nur Nachts raus kann, beschränken sich die Ausflüge ja ohnehin. Da ist so ein Trainingsraum im Keller samt Sandsack definitiv vorzuziehen. Knapp bekleidete schwitzende Muskelpakete? Ja, warum nicht. Denkt sich nach einer Weile auch Nike und überdenkt ihren Hass auf die Vrykólakas die sie eigentlich im Auftrag OLYMPUS jagen und zur Strecke bringen sollte. Hervorzuheben ist die sexuelle Szene zwischen Thanos und der Theá, da sie gelungen ausgeschrieben ist, ohne die Handlung zu übertönen. Dieses Buch ist mit der Empfehlung von: ab 16 Jahren unterwegs - das sollte man vorher wissen, ehe man ein ganzes hübsches Kapitel einfach überspringt.

 

„Der Feind meines Feindes ist mein...
- notgedrungener Freund.“

Was passiert denn nun inhaltlich? Nike wird von der Jägerin zur Gejagten und findet Zuflucht bei den Wesen, die ihre Beute sind. Als ob das noch nicht schlimm genug wäre, ist Amor auch noch irgendwo herum gesurrt und hat sie angeschossen mit einem seiner Silberpfeile. Da Amor aber Römer ist und Nike Griechin reagiert die Göttin darauf höchst allergisch. Und Amor heißt auch eigentlich Jean, aber so einen wie den Jean kann eh keiner leiden und selbst dessen Auftraggeber Daniel hält ihn (so wie alle anderen Mitarbeiter bei OLYMPUS) für überbezahlte Trottel. Es ist einfach nicht leicht, der Böse zu sein! ‚Ich bin von Idioten umgeben!‘ (Der klassische Scar.)
Gut, gegen das Silber kann der Doc Adam etwa unternehmen, ein Ex-überbezahlten-Trottel. Und gegen die Liebe hilft ein ordentlicher Schluck aus einer Blutkonserve, die geradezu einen ‚Koffeinartigen‘ Energieschub liefert.

Und dann… ab durch die Hecke! Nike ist nämlich nicht sehr begeistert zu erfahren, dass sie belogen und betrogen worden ist und sucht die Aussprache mit ihrem Vater, der im Krankenhaus auf dem Sterbebett liegt. Und die Falle schnappt zu. Während Thanos ihr noch zur Hilfe eilen will, gelingt es der hübschen dunkelhaarigen Frau aber auch schon die Flucht. Während ein anderes Monster wahllos in Griechenland umgeht und Frauen brutal schlachtet und irgendwo liegen lässt, damit sie auch ja gefunden werden. Und dann…
„Klopf, klopf. Wer ist da? Ich bin es, das kleine Mädchen, das keine Manieren hat, um den großen, fantastischen Richard um einen Gefallen zu bitten. Oh wundervoller, begnadeter Richard, darf ich eintreten?“ (S.139)
Ja… da war ja noch jemand, dem ich noch gar keinen Satz gewidmet habe. Mit Absicht. Denn das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluß. Richard… Schon bei Annika Dicks ‚Distelmond‘ gab es Nebencharaktere die es mir unheimlich angetan hatten. Hier ist es der als Störenfried angelegte Deutsche. Doch der Kerle ist nicht nur selbstverliebt, sarkastisch und ein Künstler. Mit ihm würde ich gern mal auf ein Metal-Konzert gehen und wenn mal was schief läuft, kann er sogar einigermaßen freundschaftlich sein. Ich muss ja gestehen, ich wurde ja vorher schon geimpft auf ihn: „Der wird dir gefallen!“ Und das hat er, weshalb es direkt anschließend von mir erneut ein FanArt gibt.

 

Fazit:

So, wer mal wieder Lust auf Tageslichtuntaugliche Bluttrinker hat, ist hier genau richtig. Das Ambiente ist leicht vorstellbar, Griechenland ist uns ja nicht so fern und bietet eine schöne Kulisse mitsamt Olivenhain. Schwieriger wird es da schon mit den Einrichtungen der verschiedenen Stationen der Organisation. Und noch abstrakter muss man sich als Leser die Größenverhältnisse klar machen. Ich weiß immer noch nicht, wie viele Theés ausgebildet worden sind, geschweige denn wie vielen Vrykólakas damals die Flucht gelungen ist (teilweise bis in die Staaten). Erwähnt werden zumindest vier weitere Damen: Lena, Maya, Artemis und Pandora. Wobei Lena Krankenschwester wurde und Maya noch zu jung ist um die Operationen anzugehen. Und mit dem Rest hat Nike nichts zu tun gehabt, denn alle die nach ihr kamen, fand sie sowieso unnötig. Apropos Operationen, die sind immer noch mysteriös und keiner weiß wie die nun aussahen.

Schlußendlich bin ich sehr begeistert vom offenen Ende des Werkes. Und trotz aller Umstände hat sich Papis Wunsch jetzt ja doch noch erfüllt. Seine Version 1.0 und 2.0 zusammenbringen und Mensch 2.0 züchten. Nun, das züchten dauert sicher noch, Nike, Thanos und die anderen haben nämlich momentan ganz andere Sorgen und sind - mal wieder - auf der Flucht. Zum Glück für alle aber gibt es eben jene Charaktere wie Lena oder den Doc, die ganz ohne Superkräfte auskommen und die Nacht retten. Die Autorin hat angekündigt nach dem bisherigen Feedback der Leser gern weiter schreiben zu wollen und ich bin gespannt was sich da noch entwickeln wird:
Richard und Maya: Keine Mätzchen! „Hast du das auch ihr gesagt?“ (S. 264)
Ich bin auf den Geschmack gekommen.

Ein Urteil, das in die Haut gestochen wird: gelungen!

Hinweis: Original Rezi samt FanArt gibt es bei den Lesekatzen.