Rezension

wir reden nicht nur mit Worten

Der Liebe eine Stimme geben - Lisa Genova

Der Liebe eine Stimme geben
von Lisa Genova

Bewertet mit 5 Sternen

Lisa Genova hat mit ihrem neuen Buch "Der Liebe eine Stimme geben" ein Thema aufgegriffen, an dem schon viele Autoren gescheitert sind. Ein Buch über Autismus zu schreiben ist sehr schwer, da diese Behinderung immer noch in den Kinderschuhen steckt, was die Erforschung angeht. Man weiß, dass eine gestörte Wahrnehmung eine große Rolle spielt und die Personen in einem Kokon eingeschlossen sind und es ihnen schwer fällt, oder sogar unmöglich ist, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Sie scheinen in ihrer eigenen Welt zu leben, in der feste Strukturen und Zahlen eine große Rolle spielen. Sicherlich gibt es unterschiedliche Schweregraden, doch eines ist überall gleich. Für die Mitmenschen, vor allem für die Eltern, ist es sehr schwer, sich in das Gefühlsleben eines solchen Menschen hinein zu versetzen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, da scheinbar keine Resonanz kommt. Viele Ehen, in denen autistischen Kinder leben, scheitern an der großen Aufgabe, die diese Eltern zu bewältigen haben.

So geht es auch Olivia. Das Leben mit ihrem autistischen Sohn Anthony ist für Olivia und ihren Mann mehr als schwer. Als Anthony dann auch noch an einem epileptischen Anfall stirbt, zerbricht die Ehe zwischen Olivia und ihrem Mann. Sie zieht sich auf eine kleine Insel, namens Nantucket, zurück, auf der ihr Mann und sie ein kleines Cottage gekauft haben. Hier versucht sie über den Tod ihres Sohnes hinweg zu kommen und zu verstehen,
warum die Kommunikation zwischen ihr und Anthony so schwer war. Und hier lernt sie auch Beth kennen, die sich gerade von ihrem Mann getrennt hat, der sie mit einer anderen Frau betrogen hat. Beth leidet sehr unter diesem Vertrauensbruch und kann sich nicht vorstellen, wieder mit ihrem Mann zusammen zu kommen. Doch sie nutzt diese Zeit und widmet sich wieder ihrer großen Leidenschaft , dem Schreiben. Durch dieses Buch, das sie schreibet und dass sie Olivia zu lesen gibt, die früher als Lektorin gearbeitet hat, eröffnen sich für beiden Frauen neue Sichtweisen. Olivia hilft es ihren verstorbenen Sohn besser zu verstehen und Beth lernt viel über sich und ihr Gefühlsleben.

Mir hat dieses Buch von Lisa Genova wieder gut gefallen. Ihre Themen, die meist neurophysische Aspekte beinhalten, gefallen mir sehr und sie als Psychologin hat das Wissen , um fundiert über solche Themen zu schreiben. Ich fand die Beschreibungen von Olivia sehr gelungen, ihre Verzweiflung, nicht auf " normalem Wege" mit ihrem Sohn kommunizieren zu können und dem daraus resultierenden Aktionismus, eine Therapie nach der nächsten auszuprobieren, um vielleicht doch noch ein "gesundes Kind " zu bekommen. Auch die Reaktion der Umwelt, die auf das "unangemessene Verhalten" von Anthony mit Unverständnis reagiert und auf Abstand geht," weil man sich ja vielleicht anstecken könnte ", belastet sie sehr. Dass Familien dadurch in eine ungewollte Isolation geraten , wird gut nachvollziehbar beschrieben. Aber auch Beth wird als eine Frau beschrieben , deren Reaktionen nachvollziehbar sind, weil ihr Vertrauen in den Grundfesten zerstört wurde.

Das Einzige, was ich an diesem Buch nicht besonders gelungen fand, waren die übersinnlichen Elemente, die zur Klärung von Beths Buch gegeben wurden. Sie lösen sich dann ja zum Schluss auch auf. Ansonsten fand ich das Buch gelungen, kann mir allerdings vorstellen, das dieses Thema nicht jedermanns Geschmack trifft. Das sollte jeder selbst entscheiden. Für mich wurde die Erkrankung Autismus gut erklärt, mit all ihren Auswirkungen für das Kind, die Eltern und die Umwelt.