Rezension

"Wo Gegensätze sich berühren, beginnt die Vorstellungskraft." (Kurt Haberstich)

Die unnahbare Miss Ellison - Carolyn Miller

Die unnahbare Miss Ellison
von Carolyn Miller

Bewertet mit 5 Sternen

Die Pfarrerstochter Lavinia Ellison lebt mit ihrem Vater und ihrer Tante Miss West auf dem Land in St. Hampton Heath. Lavinia kümmert sich rührend gerade um die ärmlichen Bewohner des Ortes und hat sich damit einen Platz im Herzen der Dorfgemeinschaft erobert. Als Lavinia bei einem Spaziergang Nicolas, den neunten Graf von Hawkesbury, der gerade erst sein Anwesen bezogen hat, auf seinem Pferd begegnet, wirbelt das alte und schmerzliche Erinnerungen in Lavinia auf, die sie sofort in Abwehrhaltung zu diesem Mann gehen lassen. Auch Nicolas geht Lavinias unbekümmertes und belehrendes Verhalten gegen den Strich. Die beiden sind wie Katz und Maus. Als Lavinia schwer krank wird und Nicolas sie zur Genesung auf sein Anwesen holt, lernen sich die beiden besser kennen und plötzlich ist alles anders…

Carolyn Miller hat mit ihrem Buch „Die unnahbare Miss Ellison“ einen wunderschönen und gefühlvollen Regency-Roman vorgelegt, der von der ersten Seite an zu begeistern weiß. Der Schreibstil ist flüssig und der damaligen Zeit mit ihren gestelzten Redewendungen angepasst, was die Geschichte sehr authentisch wirken und zu einem wahren Lesevergnügen werden lässt. Der Leser fühlt sich direkt in die Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts versetzt, hat Frauen in geschnürten langen Kleidern und mit Haube vor Augen sowie stattliche Herren in Uniform, engen Beinkleidern und Reitstiefeln. Das scheinbar idyllische Landleben wird so farbenfroh geschildert, dass man die Wälder und Felder sowie die Armenbarracken und das herrschaftliche Anwesen gut vor Augen hat. Bei der Lektüre hat man unweigerlich Miss Bennett und Mr. Darcy vor Augen, denn genau wie Jane Austens Meisterpaar aus „Stolz und Vorurteil“ schenken sich Lavinia und Nicolas nichts in punkto Nachgiebigkeit, Arroganz, Herablassung und Missverständnissen. Der unterschiedliche Gesellschaftsstand zwischen den beiden verwischt stark angesichts der Tatsache, dass beide Protagonisten sehr gebildet sind und sich auf Augenhöhe unterhalten. Auch die gesellschaftlichen Regeln zur damaligen Zeit werden von der Autorin sehr schön hervorgehoben. Mit überraschenden Wendungen kann die Autorin bis zum Ende wunderbar bei der Stange halten. Schön herausgearbeitet wurde auch Lavinias unerschütterlicher Glaube und dass sie ihr Leben nach der Bibel ausrichtet, während Nicolas erst einmal nicht weiß, wie man überhaupt betet, sich dann aber immer mehr in christliche Schriften vertieft und das Wort Vergebung für ihn eine neue Bedeutung bekommt.

Die Charaktere sind detailliert und liebevoll ausstaffiert, ihnen wurde regelrecht Leben eingehaucht. Sie wirken plastisch, individuell und vor allem sehr authentisch, der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen fiebern. Lavinia ist eine Frau der offenen Worte, hilfsbereit und aufopferungsvoll gegenüber den Armen und Schwachen. Sie setzt sich für sie ein und kann dabei ein wahrer Plagegeist sein. Nicolas ist von seinem Leben gelangweilt, der Krieg hat Schrecken auf seiner Seele hinterlassen und er leidet noch immer unter einem Vorkommnis in der Vergangenheit. Er ist oftmals zynisch, wirkt herablassend und wenig interessiert an seinen Mitmenschen. Doch er besitzt auch Einfühlungsvermögen und lässt oftmals seine Unsicherheit erkennen. Auch die weiteren Protagonisten wie Thornton, Lily oder Miss West geben dem Buch einen vollständigen Rahmen zur Handlung.

„Die unnahbare Miss Ellison“ ist ein wunderbarer historischer Roman gefüllt mit einem bunten Strauß voller Missverständnisse, Liebe, Freundschaft, Familie und den Problemen des Lebens auf dem Land zur Regency-Zeit. Herrlich in Szene gesetzt und ausdrucksstark erzählt. Eine mehr als verdiente Leseempfehlung für wirklich unterhaltsame Lesestunden!